Immer mehr Kraftfahrzeuge werden in Ostdeutschland gestohlen

27.09.2012

Verschiebung von Eigentum in Richtung Osteuropa nimmt besorgniserregende Züge an
Immer mehr Kraftfahrzeuge werden in Ostdeutschland gestohlen

Berlin, 25.09.2012 – Der BDK beobachtet äußerst sorgenvoll, mit welcher Dreistigkeit und zunehmender Gewaltbereitschaft stetig mehr Kfz. aber auch alle sonstigen beweglichen Güter insbesondere im Grenzgebiet zu Polen und der Tschechischen Republik durch gut organisierte, überwiegend aus Osteuropa agierende Banden aus der Bundesrepublik gen Osten geschafft werden.

Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung im Grenzraum schwindet zunehmend. Da ist es wenig hilfreich, auf das Europäische Haus, die Harmonisierung des Reiseverkehrs und die grenzenlose Freiheit der EU-Bürger zu verweisen. Es sind nicht die freiheitsliebenden und EU-begeisterten Bürger, welche die offenen und beinahe unkontrollierten Grenzen für die Begehung von Straftaten ausnutzen, sondern gut organisierte kriminelle Banden“, so der Verbandsvorsitzende des BDK Verband Bundespolizei Thomas Mischke.

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass spektakuläre Pressemeldungen auf dieses Phänomen hinweisen und der Eindruck entsteht, dass die Begehungsweisen immer dreister und für Unbeteiligte oder die einschreitende Polizei immer gefährlicher werden. Zunehmend rücksichtslos versuchen sich die Täter im Besitz ihrer Beute zu halten.

So wurden erst am vergangenen Samstag zwei Polizeibeamte der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern von polnischen Tätern überwältigt und verletzt, als die Beamten in der Nähe von Ahlbeck versucht hatten, diese zu überprüfen. Die Täter flohen anschließend mit Dienstwagen und Dienstwaffe eines Beamten. Im Ergebnis wurde der Streifenwagen mit Totalschaden in einem Waldgebiet gefunden, die Dienstwaffe bleibt verschwunden, die Täter konnten später festgenommen werden.

Ronald Buck, der Vorsitzende des BDK-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern (MV) dazu: „Das ist nur ein aktueller Fall aus einer Reihe ähnlicher Vorkommnisse. Die Polizei in MV ist aufgrund der Stellenstreichungen der letzten Jahre, der Einheitsausbildung und ungenügender Ausstattung nicht in der Lage, diesem Phänomen ernsthaft zu begegnen. Da nützt auch die Umsetzung einiger weniger Kolleginnen und Kollegen nicht viel, die Landespolizei ist personell am Ende; es bedarf eines grundlegenden Neuanfangs, erst recht nach der Polizeistrukturreform 2010

Buck weiter: „Der BDK-Landesverband MV warnt seit dem Jahre 2008 vor den negativen Folgen der Grenzöffnung zu Polen, die zu einer erhöhten Grenzkriminalität führen musste. Doch der BDK wurde verlacht und sogar von einigen Vorgesetzten mit rechtlichen Schritten bedroht. Jetzt zeigt sich, wie recht der BDK hatte. Wir hätten aber lieber etwas weniger recht gehabt, sondern dieses jetzige Szenario durch kluge Innenpolitik verhindert.“

Nach Ansicht des BDK versucht die primär zuständige Landespolizei in den vom personellen Kahlschlag betroffenen Ostbundesländern, dem Phänomen überwiegend durch medienwirksame temporäre Großkontrollen oder durch Bildung von kleinen lokalen Fahndungs- und Ermittlungsgruppen zu begegnen.

Dies ist auch für den Freistaat Sachsen festzuhalten. Wenn auch bereits Einzelmaßnahmen zur Bekämpfung des Phänomens initiiert sind, so fehlt es doch an einer Gesamtstrategie. Da ein konzertiertes Zusammenwirken neben einer tragfähigen Gesamtstrategie natürlich auch entsprechende personelle Ressourcen erfordert, dürfte hier die sächsische Polizei vor dem Hintergrund des anstehenden Kahlschlages schnell an die eigenen Grenzen stoßen“ betont Uwe Baumert, Landesvorsitzender des BDK Landesverbandes Sachsen

Thomas Mischke dazu weiter: „Die im Grenzgebiet im 30km-Streifen fahndende Bundespolizei hat zwar einen allumfassenden Fahndungsauftrag, nimmt diesen aber aufgrund von Spritsparvorgaben und Fokussierung auf die Verhinderung der illegalen Einreise allenfalls suboptimal wahr. Zudem macht sich in der Bundespolitik zunehmend die Haltung breit, dass es nicht Sache des Bundes sein kann, die Sparwut der Länder auszugleichen“.

„Auch die Zusammenarbeit mit den Behörden auf der anderen Grenzseite ist nach wie vor verbesserungswürdig, die Sprachbarriere tut ihr übriges“, so Ronald Buck.

„Damit ist über die vergangenen Jahre ein El Dorado für Straftäter entstanden, der Wilde Osten ist nicht länger eine Metapher sondern wird zunehmend Realität, so Mischke und Buck unisono.

Auch in Brandenburg beunruhigt die zunehmende Grenzkriminalität nicht nur ortsansässige Unternehmen und die Bevölkerung, sondern auch Landesregierung und Polizeiführung konnten sich diesem Phänomen nicht verschließen. Doch wie wird hier auf ein mit der Grenzöffnung absehbares und keinesfalls kurzfristiges Phänomen reagiert? Mit einer mehrmals aufgestockten, nunmehr landesweiten Sonderkommission und der Entsendung einer Hundertschaft Bereitschaftspolizei. Sollte Letztere noch von Februar bis April den Langfingern während der dunklen Jahreszeit durch reine Präsenz vor Ort das kriminelle Tun erschweren, ist nicht nur dies nicht gelungen, sondern hat sich diese kurzfristige Präsenz zum Dauereinsatz entwickelt.

"Eine symptomatische Feststellung für ein Land, dessen Polizei sich seit 2002 drei Strukturreformen unterziehen musste, deren einzige Ziele haushaltspolitisch motivierte Stellenstreichungen waren", so Wolfgang Bauch (52), brandenburgischer BDK-Landesvorsitzender.

Statt durch strukturelle und personelle Verstärkungen die Ermittlungskapazität in Brennpunktgebieten langfristig zu stärken, werden stets nur die selbst erzeugten Löcher durch Aktionismus gestopft, um sie dadurch an anderer Stelle aufzureißen. Wer Freiräume für kriminelle Begehrlichkeiten schafft, wie es der Wegfall von Grenzkontrollen trotz des starken Wohlstandsgefälles nach Osteuropa noch eine ganze Zeit der Fall sein wird, hätte sich auch im Klaren darüber sein müssen, dass massive Stellenstreichungen bei den zuständigen Polizeien von Bund und Ländern, das Problem noch verstärken. "Hier muss sofort umgedacht, die laufenden Stellenstreichungen gestoppt und die umfassende Handlungsfähigkeit der Polizei wieder hergestellt werden," so die Forderung des Brandenburger BDK-Vorsitzenden. „Effektive Strafverfolgung darf nicht länger gering geschätzt werden.“

Der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes Berlin, Marco Schmidt, unterstützt die Forderungen der Kollegen aus den anderen östlichen Bundesländern und der Bundespolizei: „Strukturelle und personelle Defizite an der Grenze und in den Grenzbundesländern schlagen auch nach Berlin durch.“ Die Fallzahlen bei Kfz-Verschiebungen sind in Berlin auf einem seit langem anhaltend hohen Niveau. Kritisch gesehen werden darüber hinaus Regelungen zum justiziellen Austausch mit den Ländern Osteuropas. „Bürokratische Hürden beispielsweise bei Vernehmungsersuchen, der Beweismittelbeschlagnahme oder der Abfrage von Kontoinhaberdaten im Ausland verhindern vielfach die Aufklärung von Straftaten.“ Während der polizeiliche Informationsaustausch auf europäischer Ebene zunehmend besser gelingt, wird von justiziellen Rechtshilfeersuchen, die für weitergehende Auskünfte nach wie vor notwendig sind, zu selten Gebrauch gemacht.   

Nach Ansicht des BDK ist ein dringender Umdenkprozess in der Politik und den beteiligten Polizeien notwendig.

Dieses Phänomen lässt sich nicht isoliert durch ein einzelnes Bundesland bekämpfen. Hier ist ein wirkungsvoller Zusammenschluss der besonders vom Phänomen betroffenen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen in festen Ermittlungs- und Fahndungskommissionen unter Beteiligung der Bundespolizei, des Zolls und der Polizei von Tschechien und Polen notwendig. Selbst wenn es einen verbesserten Informationsfluss dieser Behörden gäbe, würde das noch lange nicht ausreichen. Nur durch operative Ermittlungs- und Auswertearbeit lassen sich Tatzusammenhänge erkennen und gezielte Maßnahmen einleiten, nur durch den Zusammenschluss aller Kräfte dies- und jenseits der Grenze lassen sich die Synergieeffekte erzielen, die jetzt so dringend fehlten“, so Mischke und Buck abschließend.

Der BDK Verband Bundespolizei führt zu dieser Thematik am 13.11.12 in Dresden im Intercityhotel eine Fachtagung "Grenzüberschreitende Kriminalität – Kfz-Verschiebung im Fokus" durch. Fachleute werden die aktuelle Situation an der Ostgrenze beleuchten und die Defizite in der grenzüberschreitenden, aber auch der innerdeutschen Zusammenarbeit aufzeigen.

Ziel der Veranstaltung ist jedoch, neue Bekämpfungsansätze und erfolgversprechende kriminalpolizeiliche Strategien vorzustellen und in die Köpfe der Entscheider zu tragen. Dazu wird der BDK Verband Bundespolizei seine neue abgestimmte Fachkonzeption „Internationale Kfz-Verschiebung – (K)ein Fall für die Bundespolizei“ der Öffentlichkeit vorstellen. Dazu laden wir bereits jetzt herzlich ein. Wegen begrenzter Platzkapazitäten wird um Anmeldung auf v.bpol@bdk.de gebeten.

Rückfragen:

Thomas Mischke, Tel. 01578 612 7999 (Verband Bundespolizei)

Ronald Buck, Tel. 0171 144 0304 (Landesverband Mecklenburg-Vorpommern)

Uwe Baumert, Tel. 0173 9323751 (Landesverband Sachsen)

Marco Schmidt, Tel. 0152 540 548 67 (Landesverband Berlin)

Wolfgang Bauch, Tel. 0172 242 8668 (Landesverband Brandenburg)