CDU/CSU- Sicherheitsstrategie für Deutschland muss ergänzt werden

22.10.2008

Am 07. Mai hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ihre Sicherheitsstrategie für Deutschland vorgestellt. In den Medien fand die Strategie auf Grund der Forderungen nach einem Nationalen Sicherheitsrat und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren auch kritische Resonanz. Das Papier scheint insgesamt überwiegend außenpolitisch und militär-strategisch orientiert, und beinhaltet somit Optimierungspotential im Bereich gegenwärtiger Defizite der polizeilichen Sicherheitsarchitektur.
CDU/CSU- Sicherheitsstrategie für Deutschland muss ergänzt werden

Am 23.Juni 2008 konnte eine Delegation des BDK unter Führung des Bundesvorsitzenden Klaus Jansen dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Verfasser des CDU/CSU-Strategiepapiers, Dr. Andreas Schockenhoff, die Position des BDK zu der Sicherheitsstrategie vortragen. Die im Rahmen des Gespräches aufmerksam aufgenommenen BDK-Argumente zur Sicherheitsarchitektur und die anschließenden Fragen von Dr. Schockenhoff lassen Hoffnung aufkommen, dass die im nationalen Sicherheitsinteresse überfällige Zusammenführung der Kriminalpolizeien des Bundes auf die politische Agenda kommen könnte.

Das Strategiepapier nennt als zentrale Herausforderungen u.a. die Bekämpfung des Terrorismus und der Proliferation sowie die Abwehr von Gefahren, welche von Staaten ausgehen, die auf Grund Ihrer Schwäche Opfer von Sicherheitsrisiken sind, aber auch Quelle für die Bedrohung anderer Staaten sind. Diese dienen demnach transnational agierenden terroristischen Gruppen und Kriminellen als ideales Rückzugsgebiet und leisten dadurch der Organisierten Kriminalität mit ihren Geschäftsfeldern Schleusung, Menschenhandel, Geldwäsche sowie Waffen- und Drogenhandel Vorschub. Die vorstehend von der CDU/CSU genannten Deliktfelder zeigen deutlich die polizeiliche Relevanz auf. Notwendige Konsequenz wären aus Sicht des BDK Entscheidungen zur Vernetzung der auch - neben den Länderpolizeien - für die Bekämpfung dieser Straftaten zuständigen Kriminalpolizeien des Bundes, nämlich des Bundeskriminalamtes (BKA), der Bundespolizei (BPOL) und der dem Bundesministerium für Finanzen unterstellten Zollfahndungsbehörden.

Die von der CDU/CSU erkannten Herausforderungen als auch die Ziele wurden bereits 2005 in der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) "Homeland Security - Deutschlands offene Flanke?" genannt. Die Autoren erkannten die Defizite der "überforderten Sicherheitsstruktur in Deutschland": "Diesen Bedrohungen steht in Deutschland eine Sicherheitsstruktur gegenüber, die durch den föderalen Staatsaufbau geprägt ist und in der die jeweiligen Ressortzuständigkeiten häufig eher lose miteinander verbunden sind. Einsatzfragen werden hierzulande hauptsächlich institutionell-föderal und weniger fähigkeitsorientiert entschieden". Die KAS-Studie plädiert für "eine Vernetzung aller beteiligten Akteure in Deutschlands komplexer, föderaler Sicherheitsstruktur" und fordert ein "einheitliches Lagebild der für die Sicherheitsaufgaben zuständigen Behörden". Auch wird vor dem Hintergrund der "Vielzahl der Dienststellen und politischen Ressortzuständigkeiten" die "zu große Bürokratie bei Meldewegen, Doppelarbeit, komplizierte Instanzenzüge, Unvollständigkeit von Informationen, geringe Reaktionsgeschwindigkeiten" der 37 selbständigen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) kritisiert. Zur Minderung dieser Defizite wurde zwar in der Folge das "Gemeinsame Terrorabwehrzentrum" (GTAZ) geschaffen, aber auch hier erkannte die KAS bereits 2005: "Gleichwohl ist zu befürchten, dass das neue Analysezentrum statt eines kontrollierten Miteinanders bloß ein organisiertes Nebeneinander von Polizei und Nachrichtendiensten bewirkt".

Die Notwendigkeit der engeren Kooperation der betroffenen Ministerien wurde auch durch den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, anlässlich der Konferenz zur Vorstellung der "Sicherheitsstrategie für Deutschland" erkannt: "Die klassische Aufteilung hat endgültig ausgedient. Das Bundesministerium "A" kann nicht mehr Aufgabe "A" bearbeiten und das Bundesministerium "B" nicht mehr nur Aufgabe "B". Vielmehr findet eine Verschmelzung der Ressorts statt". In der Realität findet jedoch bereits innerhalb des Bundesministeriums des Innern durch die Aufteilung der Verantwortlichkeiten für das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Katastrophenschutz und die Bundespolizei auf zwei getrennte Abteilungen (ÖS und B) eine unnötige Schaffung von Nahtstellen statt. Ein "Nationaler Sicherheitsrat" als Koordinierungszentrum macht wenig Sinn, wenn schon auf intraministerieller Ebene die Koordinierung erschwert wird und die Sicherheitsarchitektur der kriminalpolizeilichen BOS des Bundes nicht mehr den aktuellen Herausforderungen entspricht!

Auch der brandenburgische Innenminister Schönbohm hat in einer Rede 2006 im Rahmen einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vorgeschlagen, "das Bundeskriminalamt, die ehemaligen BGS-Ermittlungsdienste und geschlossene Einheiten, das Zollkriminalamt sowie die GSG 9" der Bundespolizei zu unterstellen und "unter dem Dach einer noch zu bezeichnenden Behörde das Technische Hilfswerk, verschiedene Hilfsorganisationen und die technischen Einsatzverbände der Bundespolizei" zu vereinen um den "Heimatschutz" abzudecken. Herr Schönbohm zeigte auch kreative Denkansätze anlässlich der letzten Innenministerkonferenz und forderte in einem Interview, die BKA-Aufgabe Personenschutz der BPOL zu übertragen, um die freigewordenen Ressourcen im BKA für den Staatsschutz zu verwenden. Auch wenn diese Vorschläge im Einzelnen nicht mit den Positionen des BDK übereinstimmen, wird deutlich, dass das von uns skizzierte Grundproblem hier ebenfalls gesehen wird.

Obwohl der Handlungsbedarf erkannt wurde und einzelne Probleme bereits angegangen wurden, sind die Schaltung einzelner Handlungsfelder und Politikansätze, wie GTAZ, Antiterrordatei und Neuorganisation der BPOL auf einer Zeitachse keine hinreichende Lösung. Es muss ein politisch-strategisches Gesamtkonzept formuliert werden, das alle Aktionsstränge in einem einzigen klaren Konzept bündelt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrohungslage bleibt zu hoffen, dass die CDU/CSU in einem mutigen Schritt ihre Sicherheitsstrategie um ein Kapitel zur Neugestaltung der Sicherheitsarchitektur ergänzt. Die Fusion der Kriminalpolizeien des Bundes wäre hier ein wichtiger Baustein um einen Teil des sicherheitspolitischen Behördenwirrwarrs in Deutschland zu korrigieren.