BVerwG zur Zurechnung von Anwaltsverschulden im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren
23.02.2021
Leitsatz: Auch im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem von diesem vertretenen Beteiligten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
Ergänzungen:
RN6: Verschulden ist gegeben, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1995 - 6 C 13.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198 S. 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt Verschulden stets den Verstoß gegen eine individuelle Sorgfaltspflicht voraus, auf die der Beteiligte (oder sein Bevollmächtigter) sich einstellen konnte (BVerfG, Beschlüsse vom 8. November 1991 - 2 BvR 1388/91 u.a. - NVwZ 1992, 262 <263>, vom 2. Juni 1992 - 2 BvR 1401/91 - BVerfGE 86, 280 <284> und vom 26. April 2004 - 1 BvR 1819/00 - NJW 2004, 2583 f.).
RN13: Dem Verschulden eines Beteiligten steht das Verschulden seines Bevollmächtigten gleich (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Der entsprechenden Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO stehen keine wesensmäßigen Unterschiede zwischen Zivilprozessordnung und Verwaltungsgerichtsordnung entgegen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 16. November 1961 - 4 ER 403/61 - BVerwGE 13, 181 <182>, vom 5. Mai 1999 - 4 B 35.99 - NVwZ 2000, 65 f., vom 3. Dezember 2002 - 1 B 429.02 - NVwZ 2003, 868 <869> und vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 6). Dies gilt auch in Disziplinarverfahren (aa). Darüber hinaus ist die Zurechnung von Anwaltsverschulden im Disziplinarverfahren auch mit Verfassungsrecht vereinbar
Fundstelle(n):
- Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung im Volltext