BVerwG zur disziplinarischen Würdigung außerdienstlichen Verhaltens und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
08.06.2019
Leitsätze
1. Ein außerdienstliches Dienstvergehen, das keinen Straftatbestand erfüllt, kann zwar nicht im Regelfall, wohl aber im Ausnahmefall die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigen.
2. Bei einem Lehrer, der im Internet mit ihm unbekannten Chatpersonen Gewaltphantasien über Folter und Misshandlungen von minderjährigen Mädchen und Fotos von (zum Teil von ihm selbst unterrichteten) Schülerinnen austauscht, kann ein derartiger Ansehens- und Vertrauensverlust eintreten, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die gebotene und angemessene Disziplinarmaßnahme ist.
3. Außerdienstliche Verfehlungen dieser Art können bei einem Lehrer bereits dann die Dienstausübung berühren und damit einen Amtsbezug begründen, wenn zu befürchten ist, dass der Lehrer ihretwegen auf Vorbehalte der Eltern der von ihm unterrichteten Kinder stößt und deswegen nicht mehr die Autorität und das Vertrauen genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Insoweit genügt die bloße Eignung für einen solchen Ansehens- und Vertrauensverlust, ohne dass dieser konkret eingetreten sein muss.
Ergänzungen
- Bei außerdienstlichen Verfehlungen reicht nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus (auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist) – es müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände hinzutreten.
- Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, kann das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einschränken - unterhalb dieser Schelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem anderen Bürger.
- (…) „Zum anderen ist bei Lehrern - ebenso wie bei Polizisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 39) - zu beachten, dass sie eine besondere Stellung innehaben“. Außerdienstliches Verhalten kann bei diesen Beamten angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung zu einem mittelbaren Amtsbezug und damit auch zur Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen führen.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.04.2019, Az. 2 B 32.18