BVerwG zum Auskunftsanspruch der Presse aus abgeschlossenen Disziplinarverfahren
13.10.2020
Leitsätze:
- Der Anspruch der Presse auf Auskunft zu einem behördlichen Disziplinarverfahren gegen einen Bundesbeamten findet seine Grundlage im Personalaktenrecht in § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG.
- Das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und das Tilgungsgebot (§ 16 Abs. 1 und 3 BDG) sind als bedeutsame Abwägungsfaktoren auf Seiten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Beamten in die nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG vorzunehmende Interessenabwägung einzustellen.
- Das Merkmal "zwingend erforderlich" des § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG ist im Lichte der Pressefreiheit dahin auszulegen, dass die Auskunftserteilung nicht von einer inhaltlichen Bewertung des Informationsanliegens abhängt. Nicht "zwingend erforderlich" kann eine von der Presse verlangte Information sein, wenn sie aus anderen öffentlich zugänglichen Informationsquellen anderweitig verfügbar ist.
- Die während eines Verwaltungs- oder Klageverfahrens mit dem Ablauf der Tilgungsfrist entstehende Pflicht des Dienstherrn, die Disziplinarakte von Amts wegen zu vernichten, tritt mit seiner Pflicht, die von einem Dritten geltend gemachte Auskunft gegebenenfalls erteilen zu müssen, in Konflikt. Der Ausgleich der kollidierenden Rechtspflichten des Dienstherrn kann nur dadurch hergestellt werden, dass der Disziplinarvorgang bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über das Auskunftsersuchen in eine gesonderte Aufbewahrung genommen wird.
RN2: „Nach § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG kann ein Dritter eine Auskunft ohne Einwilligung des Beamten nur verlangen, wenn die Auskunftserteilung für den Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen zwingend erforderlich ist. Die Norm des beamtenrechtlichen Personalaktenrechts enthält nicht lediglich eine an die aktenführende Behörde gerichtete Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung von Auskünften an Dritte unter Änderung der auf die Zwecke der Personalverwaltung und Personalwirtschaft gerichteten Bestimmung der Akten (§ 106 Abs. 3 BBG), sondern ist vielmehr Anspruchsgrundlage für den Dritten, die diesem ein Recht auf Auskunft vermittelt (BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 19 und vom 28. Februar 2019 - 7 C 20.17 - BVerwGE 165, 1 Rn. 16). Der als Jedermannsrecht normierte Auskunftsanspruch ist geeignet, die informationsrechtliche Stellung der Presse auszugestalten. Denn die Vorschrift verweist auf eine umfassende Interessenabwägung, in die dann je nach ihrer Art unterschiedlich zu gewichtende Anliegen und folglich auch das besonders hohe Informationsinteresse der Presse einfließen kann. In dieser Situation ist für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kein Raum (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 63 ff.).“
Fundstelle(n):
- Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung im Volltext
- 111 BBG
- LBG BW
Hinweis: § 85 LBG BW enthält auf Landesebene vergleichbare Regelungen wie § 111 BBG.
- 85 LBG BW
Übermittlung
(1) Soweit es zur Erfüllung der Aufgaben der personalverwaltenden Stellen oder der Stellen, an die die Daten übermittelt werden, erforderlich ist, ist die Übermittlung von Personalaktendaten zulässig an:
- die oberste Dienstbehörde für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft,
- eine im Rahmen der Dienstaufsicht weisungsbefugte Behörde zum Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft,
- Behörden oder Stellen desselben Geschäftsbereichs zur Vorbereitung oder Durchführung einer Personalentscheidung,
- Behörden oder Stellen eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn zur Mitwirkung an einer Personalentscheidung,
- einen anderen Dienstherrn zur Vorbereitung personeller Maßnahmen, die nicht der Zustimmung der Beamtin oder des Beamten bedürfen,
- die personalverwaltende Stelle eines anderen Dienstherrn, auf die Aufgaben der Personalverwaltung übertragen worden sind,
- Ärztinnen oder Ärzte zur Erstellung eines ärztlichen Gutachtens sowie Psychologinnen oder Psychologen zur Erstellung eines psychologischen Gutachtens im Auftrag der personalverwaltenden Stelle,
- die zuständigen Behörden zur Entscheidung über die Verleihung von staatlichen Orden und Ehrenzeichen oder von sonstigen Ehrungen,
- die zur Erteilung einer Versorgungsauskunft und zur Festsetzung der Versorgungsbezüge nach § 77 LBeamtVGBW und zur Erteilung einer Auskunft über die Höhe des Altersgeldes nach § 96 LBeamtVGBW zuständigen Stellen, soweit diese sich schriftlich oder elektronisch verpflichten, die übermittelten Daten nicht an Dritte zu übermitteln und die Daten nur für den Zweck, zu dem sie übermittelt worden sind zu speichern, zu verändern oder zu verwenden,
- sonstige Dritte zur Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder zum Schutz rechtlicher, höherrangiger Interessen des Dritten, wobei die übermittelnde Stelle die betroffene Beamtin oder den Beamten über die Übermittlung, insbesondere über die übermittelten Daten, den Dritten und den Zweck der Übermittlung zu informieren hat,
- die zuständigen Behörden zur Erfüllung von Mitteilungspflichten im Rahmen der europäischen Verwaltungszusammenarbeit nach den §§ 8a bis 8e des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes,
- die bezügezahlende Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben.