BVerwG zu Stellenbesetzungsverfahren, Rechtsschutz und Dienstlicher Beurteilung
05.11.2010
Leitsätze:
- Die Ernennung des in ein Stellenbesetzungsverfahren erfolgreichen Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der in die Rechte der unterlegenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift.
- Der Grundsatz der Ämterstabilität steht der Aufhebung der Ernennung auf Klage eines unterlegenen Bewerbers nicht entgegen, wenn dieser daran gehindert worden ist, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszuschöpfen.
- Der Dienstherr muss nach Obsiegen im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht mit der Ernennung angemessene Zeit zuwarten, um dem unterlegenen Bewerber die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu ermöglichen.
- Einer dienstlichen Beurteilung fehlt die Aussagekraft für den Leistungsvergleich der Bewerber, wenn der für die Erstellung Zuständige keine Beiträge Dritter eingeholt hat, obwohl er die dienstliche Tätigkeit des beurteilten Bewerbers nicht aus eigener Anschauung kennt.
Streitgegenstand war die Besetzung der Präsidentenstelle eines Oberlandesgerichts. Dieses Bundesverwaltungsgerichtsurteil enthält umfangreiche Aussagen und Fundstellen, die über die o. g. Leitsätze hinausgehen und im Rahmen der Umsetzung der Dienstpostenbewertung beachtlich sein könnten.
Einige ergänzende Auszüge:
RN18: zur Ernennung nach einer erfolgten Auswahl im Stellenbesetzungsverfahren und ihren Folgen, „die Einweisung in die zu dem Amt gehörende Planstelle“ und die „[amts-]angemessene Beschäftigung“.
RN20: zum Leistungsgrundsatz nach Art. 33 II GG, der den Dienstherren bindet, „wenn er ein Amt im statusrechtlichen Sinne nicht durch Umsetzung oder eine den Status nicht berührende Versetzung, sondern durch Beförderung des Inhabers eines niedrigeren Amtes vergeben will.“ – So dürfen „Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen.“ Dies mit Blick auf die Frage, „in welchem Maße der Richter oder Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird.“ Und weiter: Die „inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 II GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig.“
RN23, 24: zur konkreten Bewerberauswahl und der Unmöglichkeit, wenn „es bereits an tragfähigen Erkenntnissen über das Leistungsvermögen, d.h. an aussagekräftigen dienstlichen Beurteilungen, fehlt.“
RN25: zur Notwendigkeit der „gesonderten Mitteilung der Auswahlentscheidung an jeden Bewerber“ wobei die „Begründung […] die maßgebenden Erwägungen des Dienstherrn erkennen lassen [muss].“
RN31 ff.: zur Sicherstellung durch die Dienstherren, „dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann,“, wobei sich aus der Praxis der „gerichtliche Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen der Auswahlentscheidung und der Ernennung verlagert. Später in RN34 der Hinweis, dass sich in der „Praxis der Verwaltungsgerichte […] eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet [hat]“ Und weiter, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, die rechtzeitig beantragt wurde, die Ernennung verschiebt, bis darüber abschließend gerichtlich entschieden wurde.
RN46: betont nochmals die Notwendigkeit aktueller dienstlicher Beurteilungen, die maßgebend für den Leistungsvergleich der Bewerber ist. Die Anforderungen sind, dass sie „inhaltlich aussagekräftig“ sind den „Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen.“ Sofern danach „mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen [sind], kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. So kann er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, besondere Bedeutung beimessen.“
RN47: verpflichtet den Beurteiler dazu, sich entweder „sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des Bewerbers zu machen“ oder sich „die fehlenden Kenntnisse von anderen Personen zu beschaffen.“ Derartige Beurteilungsbeiträge müssen dann berücksichtigt werden, der Beurteiler „ist […] an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht gebunden, sondern kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen.“, wobei „Abweichungen […] nachvollziehbar begründet werden [müssen].“
Art. 33 II GG:
Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
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