BVerwG weiteres Urteil zum Bereitschaftsdienst und dessen finanziellem Ausgleichsanspruch
20.10.2020
Leitsätze:
- Der Begriff des Bereitschaftsdienstes setzt nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts in örtlicher Hinsicht voraus, dass der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat.
- Dabei ist unter dem Begriff des Privatbereichs nicht zwingend der Wohnsitz oder der häusliche Bereich des Beamten zu verstehen. Mit der Wendung "außerhalb des Privatbereichs" ist vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass der Beamte während des Bereitschaftsdienstes seinen privaten Aufenthaltsort - sei es sein Zuhause oder einen anderen Ort - nicht frei wählen und wechseln kann, d.h. dass er sich an einem nicht "privat" wählbaren und wechselbaren Ort für einen jederzeitigen Einsatz bereitzuhalten hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1979 - 2 C 7.78 - BVerwGE 59, 45 <47> und vom 9. Mai 1985 - 2 C 20.82 - Buchholz 235 § 48 BBesG Nr. 6 S. 5).
Ergänzungen:
Bereitschaftsdienst nach Rechtsprechung BVerwG, RN20 (Auszug): „Danach liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat (…). Dabei ist unter dem vom Bundesverwaltungsgericht verwendeten Begriff des Privatbereichs - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - nicht zwingend der Wohnsitz oder der häusliche Bereich des betroffenen Beamten zu verstehen. Wie sich aus dem Kontext der in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen lässt, ist mit der Wendung "außerhalb des Privatbereichs" zum Ausdruck gebracht, dass der Beamte während des Bereitschaftsdienstes seinen privaten Aufenthaltsort - sei es sein Zuhause oder einen anderen Ort - nicht frei wählen und wechseln kann. (…) Er hat sich an einem vom Dienstherrn bestimmten und damit an einem nicht "privat" frei wählbaren und wechselbaren Ort für einen jederzeitigen Einsatz bereitzuhalten.“
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft nach Rechtsprechung des EuGH, RN17 (Auszug): „Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist für die Einordnung als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Diese Verpflichtungen, aufgrund deren der betroffene Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Bereitschaftszeiten nicht frei bestimmen kann, sind als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen (…). Anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer einen Dienst nach dem System der Rufbereitschaft erbringt, die seine ständige Erreichbarkeit, nicht jedoch zugleich seine Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert. Selbst wenn er seinem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung steht, dass er erreichbar sein muss, kann er in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen. Unter diesen Umständen ist nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen.“
Und weiter RN18 (Auszug): „Weiter hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 21. Februar 2018 - C-518/15, Matzak - (NJW 2018, 1073 Rn. 61 ff.) entschieden, dass der in Art. 2 RL 2003/88/EG verwendete Begriff der Arbeitszeit dahin auszulegen ist, dass er nicht die persönliche Anwesenheit und die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz voraussetzt (…), sondern dass der als Arbeitszeit anzusehende Bereitschaftsdienst auch an einem anderen, vom Arbeitgeber bestimmten Ort erbracht werden kann. Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Einschränkung, die sich aus geographischer und zeitlicher Sicht aus dem Erfordernis ergibt, sich innerhalb von acht Minuten am Arbeitsplatz einzufinden, können objektiv die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers einschränken, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen. , sondern dass der als Arbeitszeit anzusehende Bereitschaftsdienst auch an einem anderen, vom Arbeitgeber bestimmten Ort erbracht werden kann. Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Einschränkung, die sich aus geographischer und zeitlicher Sicht aus dem Erfordernis ergibt, sich innerhalb von acht Minuten am Arbeitsplatz einzufinden, können objektiv die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers einschränken, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen.“
Fundstelle(n):
- Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung im Volltext