BVerwG über die Erfordernisse einer Anlassbeurteilung in einem Regelbeurteilungssystem
14.01.2020
BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019, Az. 2 C 1.18. Schlagworte: Beurteilung, Anlassbeurteilung
Leitsätze:
- Es liegt - bei Einhaltung der verfassungs- und einfachrechtlichen Vorgaben - im grundsätzlich weiten Organisationsermessen des Dienstherrn, wie er das Beurteilungssystem für seine Beamten regelt. Ein Beurteilungssystem, das auf im Drei-Jahres-Rhythmus zu erstellenden Regelbeurteilungen beruht, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Bei der Frage, ob wegen einer Veränderung im Tätigkeitsbereich des Beamten eine Anlassbeurteilung zu erstellen ist, ist darauf zu achten, dass dadurch die Organisationsgrundentscheidung des Dienstherrn für ein Regelbeurteilungssystem nicht entwertet wird.
- Eine dienstliche (Regel-)Beurteilung kann ihre für eine Auswahlentscheidung erforderliche hinreichende Aktualität verlieren, wenn der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag der letzten Regelbeurteilung während eines erheblichen Zeitraums wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen hat (im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 11. Februar 2009 - 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44 Rn. 20, vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 - BVerwGE 140, 83 Rn. 23 und Beschluss vom 10. Mai 2016 - 2 VR 2.15 - BVerwGE 155, 152 Rn. 23).
- Ein erheblicher Zeitraum im vorstehenden Sinne liegt vor, wenn bei einem dreijährigen Regelbeurteilungszeitraum die anderen Aufgaben während des (deutlich) überwiegenden Teils (zu zwei Dritteln) des Beurteilungszeitraums wahrgenommen wurden, also zwei Jahre lang. Bei einem zweijährigen Regelbeurteilungszeitraum fehlt es an einem - eine Anlassbeurteilung erforderlich machenden - erheblichen Zeitraum.
- Wesentlich andere Aufgaben im vorstehenden Sinne liegen vor, wenn der Beamte in seinem veränderten Tätigkeitsbereich Aufgaben wahrnimmt, die einem anderen (höherwertigen oder einer anderen Laufbahn zugehörigen) Statusamt zuzuordnen sind. Bei sog. gebündelten Dienstposten ist dies nur der Fall, wenn dieser nicht auch derjenigen Besoldungsgruppe zuzuordnen ist, der die bisherigen Aufgaben des Beamten entsprachen.
- Muss für einen Beamten wegen einer veränderten Aufgabenwahrnehmung eine Anlassbeurteilung erstellt werden, hat dies nicht zwangsläufig zur Folge, dass allein deswegen auch für alle Mitbewerber, bei denen keine solche Tätigkeitsänderung eingetreten ist, ebenfalls Anlassbeurteilungen zu erstellen sind. Auch größere Zeitdifferenzen zwischen einer Regel- und einer Anlassbeurteilung sind hinzunehmen, solange ein Qualifikationsvergleich auf der Grundlage dieser Beurteilungen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers nach Bestenauslesegrundsätzen möglich bleibt.
- Einer Begründung des Gesamturteils bei einer im sog. Ankreuzverfahren oder allein anhand von Zahlen- oder Buchstabenwerten erstellten dienstlichen Beurteilung bedarf es nicht, wenn diese eine vergleichsweise geringe Zahl von Einzelmerkmalen (hier: sieben) betrifft, denen der Dienstherr zulässigerweise eine gleich große Bedeutung (dasselbe Gewicht) zumisst.
- Die sog. Kollegialgerichtsregel, bei deren Vorliegen das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden ausgeschlossen sein kann, gilt auch für Auswahlentscheidungen und dienstliche Beurteilungen des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) der Polizei NRW.
Besonders beachtlich sind hierbei die Ausführungen in Ziffer 3 (Markierung), da sie für die Polizei Baden-Württemberg mit ihrer zweijährigen Beurteilungsfrequenz einschlägig sind.
Externe Links:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil Az. 2 C 1.18