BVerwG entscheidet zu eingetragenen Lebenspartnerschaften

28.10.2010

BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, Az. 2 C 10.09 und 2 C 21.09. Schlagworte: Ehe, Lebenspartnerschaft.
BVerwG entscheidet zu eingetragenen Lebenspartnerschaften

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 28.10.2010 verschiedene Entscheidungen zur Gleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten in eingetragenen Lebenspartnerschaften getroffen.

Beamte in eingetragener Lebenspartnerschaft haben seit Juli 2009 Anspruch auf den so genannten Ehegattenzuschlag

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 28. Oktober 2010 in zwei Fällen entschieden, dass Beamtinnen und Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, seit Juli 2009 Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 - so genannter Ehegattenzuschlag - haben. Die Kläger, ein Beamter des Landes Schleswig-Holstein und ein Bundesbeamter, hatten geltend gemacht, ihnen stehe dieser Zuschlag seit dem 2. Dezember 2003 zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche für die Zeit seit Juli 2009 für gegeben erachtet und die Entscheidungen der Vorinstanzen abgeändert, soweit sie dem entgegenstehen.

Nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes wird der Familienzuschlag der Stufe 1 nur Eheleuten gewährt. Zeitlich nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber im Jahre 2001 den Familienstand der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft geschaffen und später fortentwickelt. Zudem müssen Behörden und Gerichte in Deutschland seit dem 2. Dezember 2003 die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf hinsichtlich der hier maßgeblichen Vorschrift ungeachtet dessen unmittelbar anwenden, ob der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie vollständig umgesetzt hat. Diese Richtlinie untersagt in ihrem Anwendungsbereich jede unmittelbare Diskriminierung u.a. wegen der sexuellen Ausrichtung einer Person. Am 7. Juli 2009 schließlich hat das Bundesverfassungsgericht zur eingetragenen Lebenspartnerschaft entschieden, dass der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) die Privilegierung der Ehe nicht rechtfertigt, wenn dies mit einer Benachteiligung der Lebenspartnerschaft einhergeht.

Nach Unionsrecht liegt eine unzulässige unmittelbare Diskriminierung vor, wenn die Personen oder Gruppen im Hinblick auf die in Rede stehende Norm in vergleichbarer Lage sind und dennoch unterschiedlich behandelt werden. Ob dies der Fall ist, haben nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Gerichte der Mitgliedstaaten zu entscheiden. Nach deutschem Recht bestand die Vergleichbarkeit von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Hinblick auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nicht, solange der Gesetzgeber befugt war, diesen Zuschlag auch im Blick darauf zu gewähren, dass Eheleute in ihrer Erwerbsbiografie typischerweise Nachteile erleiden, wenn in der Ehe Kinder vorhanden sind. Art. 6 Abs. 1 GG erlaubte eine derartige Differenzierung im Sinne des Gleichheitssatzes jedoch nur bis zum Juni 2009. Seit Juli 2009 steht auf Grund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest, dass Ehe und Lebenspartnerschaft im Hinblick auf den Familienzuschlag der Stufe 1 als vergleichbar anzusehen sind. Seitdem gebietet Europäisches Gemeinschaftsrecht, den Anspruch auch Beamten in einer Lebenspartnerschaft zu gewähren.

BVerwG 2 C 10.09 und 2 C 21.09 - Urteile vom 28. Oktober 2010

Vorinstanzen:
BVerwG 2 C 10.09: OVG Schleswig, 3 LB 13/06 - Urteil vom 22. Juli 2008 -
VG Schleswig, 11 A 103/04 - Urteil vom 27. August 2004 -

BVerwG 2 C 21.09: VGH Mannheim, 4 S 1533/05 - Beschluss vom 10. September 2005 - Verwaltungsgericht Freiburg, 3 K 2512/04 - Urteil vom 16. Juni 2005

Weitgehende Gleichbehandlung von Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 28. Oktober 2010 in mehreren Fällen über die Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, mit verheirateten Beamtinnen und Beamten entschieden.

Die Kläger in den Verfahren 2 C 56.09 und 2 C 52.09 hatten als Beamtinnen bzw. Beamte im Auswärtigen Dienst geltend gemacht, dass ihnen Auslandszuschläge für die Zeiten einer Auslandsverwendung bzw. die Aufwandsentschädigung u.a. für die Beibehaltung einer Wohnung im Ausland während einer Abordnung an eine weitere Auslandsdienststelle in gleicher Weise zustünden wie Verheirateten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanz, die bereits in diesem Sinne judiziert hatte, bestätigt.

Rechtsgrundlage der von den Klägern begehrten Leistungen sind Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes bzw. eine Richtlinie des Auswärtigen Amtes, von deren Wortlaut Beamte in eingetragener Lebenspartnerschaft nicht erfasst werden. Demgegenüber verbietet das Europäische Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) durch seine Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf jede unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung. Eine unzulässige unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn sich Personen oder Gruppen im Hinblick auf die in Rede stehende Norm in vergleichbarer Lage befinden und dennoch unterschiedlich behandelt werden. Ob dies der Fall ist, haben nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Gerichte der Mitgliedstaaten zu entscheiden. In den vorliegenden Fällen sind die beantragten Leistungen Lebenspartnern vorenthalten worden, obwohl sie sich im Hinblick auf die besonderen Erschwernisse bei Einsätzen im Ausland in einer mit Eheleuten vergleichbaren Situation befinden.

Im Verfahren 2 C 47.09 hatte der Kläger die Feststellung begehrt, dass nach seinem Tod seinem Lebenspartner die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung wie einem Ehegatten zustehe. Auch diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht wie die Vorinstanz bejaht. Ehepartner und Lebenspartner befinden sich nach geltendem Recht im Hinblick auf diese Leistung des Dienstherrn in einer vergleichbaren Lage, so dass sich die Vorenthaltung der Hinterbliebenenversorgung als unmittelbare Diskriminierung darstellt.

BVerwG 2 C 47.09, 2 C 52.09 und 2 C 56.09 - Urteile vom 28. Oktober 2010

Vorinstanzen:
BVerwG 2 C 47.09: VG Berlin, 5 A 99.08 - Urteil vom 6. Mai 2009 -
BVerwG 2 C 52.09: VG Berlin, 26 A 108.06 - Urteil vom 16. Juni 2009 -
BVerwG 2 C 56.09: VG Berlin, 26 A 53.06 - Urteil vom 22. September 2009 -

Lebenspartnerschaft und Beihilfe

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 28. Oktober 2010 in mehreren Fällen über die Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, mit verheirateten Beamtinnen und Beamten entschieden.

Es hat in drei Verfahren beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die einem Beamten von seinem Dienstherrn gewährte Beihilfe für krankheitsbedingte Aufwendungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf fällt. Die Kläger hatten geltend gemacht, dass ihnen Leistungen der beamtenrechtlichen Krankenversorgung (Beihilfe) auch für ihre Lebenspartner in gleicher Weise zustünden wie verheirateten Beamten.

Die Richtlinie verbietet eine unmittelbare Diskriminierung unter anderem wegen der sexuellen Ausrichtung. Sie führt dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu bleiben hat; zugleich bildet sie die Grundlage für den Anspruch einer diskriminierten Person, dieselbe Leistung zu erhalten wie die Personen, mit denen sie sich in einer vergleichbaren Lage befindet.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts befinden sich verheiratete und verpartnerte Beamte hinsichtlich der für die Gewährung von Beihilfe maßgeblichen Umstände in einer vergleichbaren Lage. Da die Versagung der Beihilfe für Lebenspartner von Beamten eine weniger günstige Behandlung darstellt, sieht es auch eine unmittelbare Diskriminierung als gegeben an. Zweifel an der Anwendbarkeit der Richtlinie hat es jedoch deshalb, weil die Richtlinie nicht für "Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes" (Art. 3 Abs. 3 Richtlinie) gilt und die Beihilfe des Dienstherrn dazu gehören könnte. Über diese Frage hat der Europäische Gerichtshof bisher nicht entschieden.

BVerwG 2 C 23.09, 2 C 46.09 und 2 C 53.09 - Beschlüsse vom 28. Oktober 2010

Vorinstanzen:
BVerwG 2 C 23.09: OVG Koblenz, 10 A 10595/08 - Beschluss vom 17. Dezember 2008 -
VG Koblenz, 2 K 256/07 - 11. Oktober 2007 -
BVerwG 2 C 46.09: VG Berlin, 5 A 177.05 - Urteil vom 6. Mai 2009 -
BVerwG 2 C 53.09: VG Berlin 26 A 150.06 - Urteil vom 16. Juni 2009 -