BVerwG Aussetzungsbeschluss zur Klärung der Mindestdatenspeicherung (“Vorratsdatenspeicherung“) beim EuGH
25.09.2019
Leitsatz:
Ob die in § 113a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113b TKG geregelte Pflicht der Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, im Einzelnen bezeichnete Verkehrs- und Standortdaten anlasslos für eine Dauer von zehn bzw. vier Wochen auf Vorrat zu speichern, angesichts der im Gesetz geregelten Vorgaben zur Datensicherheit und zum Datenabruf auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG gestützt werden kann, bedarf der Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.
„Es wird eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt: Ist Art. 15 der Richtlinie 2002/58/EG im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie des Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einerseits und des Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie des Art. 4 des Vertrags über die Europäische Union andererseits dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, welche die Betreiber öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste verpflichtet, Verkehrs- und Standortdaten der Endnutzer dieser Dienste auf Vorrat zu speichern, wenn diese Verpflichtung
- keinen spezifischen Anlass in örtlicher, zeitlicher oder räumlicher Hinsicht voraussetzt,
- Gegenstand der Pflicht zur Speicherung bei der Erbringung öffentlich zugänglicher Telefondienste - einschließlich der Übermittlung von Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachrichten sowie unbeantworteter oder erfolgloser Anrufe - folgende Daten sind:
- die Rufnummer oder eine andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie bei Um- oder Weiterschaltungen jedes weiteren beteiligten Anschlusses,
- Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Verbindung bzw. - bei der Übermittlung einer Kurz-, Multimedia- oder ähnlichen Nachricht - die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs der Nachricht unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone,
- Angaben zu dem genutzten Dienst, wenn im Rahmen des Telefondienstes unterschiedliche Dienste genutzt werden können,
- im Fall mobiler Telefondienste ferner
- die internationale Kennung mobiler Teilnehmer für den anrufenden und den angerufenen Anschluss,
- die internationale Kennung des anrufenden und des angerufenen Endgerätes,
- Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone, wenn Dienste im Voraus bezahlt wurden,
- die Bezeichnungen der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt wurden,
- im Fall von Internet-Telefondiensten auch die Internetprotokoll-Adressen des anrufenden und des angerufenen Anschlusses und zugewiesene Benutzerkennungen,
- Gegenstand der Pflicht zur Speicherung bei der Erbringung öffentlich zugänglicher Internetzugangsdienste folgende Daten sind:
- die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse,
- eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, sowie eine zugewiesene Benutzerkennung,
- Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone,
- im Fall der mobilen Nutzung die Bezeichnung der bei Beginn der Internetverbindung genutzten Funkzelle,
- folgende Daten nicht gespeichert werden dürfen:
- der Inhalt der Kommunikation,
- Daten über aufgerufene Internetseiten,
- Daten von Diensten der elektronischen Post,
- Daten, die den Verbindungen zu oder von bestimmten Anschlüssen von Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen zugrunde liegen,
- die Dauer der Speicherung auf Vorrat für Standortdaten, d.h. die Bezeichnung der genutzten Funkzelle, vier Wochen und für die übrigen Daten zehn Wochen beträgt,
- ein wirksamer Schutz der auf Vorrat gespeicherten Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang gewährleistet ist, und
- die auf Vorrat gespeicherten Daten nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten und zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes, verwendet werden dürfen, mit Ausnahme der dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse, deren Verwendung im Rahmen einer Bestandsdatenauskunft zur Verfolgung jeglicher Straftaten, zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste zulässig ist?“
Externer Link: