BVerfG – Vermögensabschöpfung ist keine Nebenstrafe

10.02.2021

BVerfG, Beschluss vom 10.02.2021, Az. 2 BvL 8/19. Schlagworte: Vermögensabschöpfung, Verfall, Rückwirkung, Verjährung.
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Leitsätze: 

  1. Die Vermögensabschöpfung nach dem Reformgesetz vom 13. April 2017 ist keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter (Fortführung von BVerfGE 110, 1 <13 ff.>).
  1. Die in Art. 316h Satz 1 EGStGB angeordnete Rückbewirkung von Rechtsfolgen („echte“ Rückwirkung) ist nicht an Art. 103 Abs. 2 GG, sondern an dem allgemeinen Rückwirkungsverbot zu messen. Sie ist hier ausnahmsweise zulässig.

Aus der Bewertung von Beck-Aktuell, Heute im Recht (Link s.u.): 

[Das Bundesverfassungsgericht] „hält Art. 316h Satz 1 EGStGB für mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Einziehung von Taterträgen oder deren Wert sei keine Strafe im Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG. Die Garantie des Art. 103 Abs. 2 GG solle verhindern, dass der Staat ein Verhalten erst nachträglich hoheitlich missbillige, es mit einer Sanktion belege und dem Betroffenen den Vorwurf rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens mache. Die Vermögensabschöpfung, wie sie durch das Reformgesetz geregelt wurde, sei jedoch keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme im Sinn von § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Ziel des Verfalls sei nicht die Zufügung eines Übels gewesen, sondern die Beseitigung eines Vorteils, dessen Verbleib den Täter zu weiteren Taten hätte verlocken können. (…) Die Qualifizierung der Vermögensabschöpfung als Maßnahme eigener Art und nicht als Strafe stehe im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Vermögensabschöpfung nach dem Reformgesetz nicht als Strafe im Sinne des Art. 7 Abs. 1 EMRK anzusehen.“ Und weiter Art. 316h Satz 1 EGStGB sei außerdem mit den im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar.“ 

 

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