BVerfG: Fixierung eines Patienten in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung mit Fernwirkung auf Fesselungen im Polizeigewahrsam?
23.08.2018
BVerfG-Urteil vom 24. Juli 2018, Az.: 2 BvR 309/15 und
2 BvR 502/16.
Leitsätze:
- a) Die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) dar.
- b) Sowohl bei einer 5-Punkt- als auch bei einer 7-Punkt-Fixierung von nicht nur kurzfristiger Dauer handelt es sich um eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG, die von einer richterlichen Unterbringungsanordnung nicht gedeckt ist. Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet.
- Aus Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG folgt ein Regelungsauftrag, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten, um den Besonderheiten der unterschiedlichen Anwendungszusammenhänge gerecht zu werden.
- Um den Schutz des von einer freiheitsentziehenden Fixierung Betroffenen sicherzustellen, bedarf es eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt.
Dem Urteil lag ein Sachverhalt der öffentlich-rechtlichen Unterbringung u. a. mit Bezug zu Baden-Württemberg zu Grunde. Das BVerfG ordnete nach § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht an, dass u. a. der baden-württembergische Gesetzgeber verpflichtet ist, bis zum 30. Juni 2019 einen verfassungsgemäßen Zustand
herbeizuführen.
Ergänzend gilt Herrn Prof. Dr. Clemens Arzt von der HWR Berlin unser Dank, der mittels Newsletter regelmäßig über (höchst-)richterliche Entscheidungen aus und für die Praxis berichtet.
Es darf zum Schluss aus seiner Bewertung zitiert werden:
"Aus Art. 104 Abs. 2 Satz 4 GG folgt ein Regelungsauftrag, der den Gesetzgeber verpflichtet, den Richtervorbehalt verfahrensrechtlich auszugestalten, um den Besonderheiten der unterschiedlichen Anwendungszusammenhänge gerecht zu werden.
Um den Schutz des von einer freiheitsentziehenden Fixierung Betroffenen sicherzustellen, bedarf es eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt."
Quelle: BVerfG-Urteil vom 24. Juli 2018, Az.: 2 BvR 309/15 und
2 BvR 502/16, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/07/rs20180724_2bvr030915.html