BfV-Lagebericht „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“

27.10.2020

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im September 2020 seinen Lagebericht vorgelegt. Er betrachtet den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2020. Eingeflossen sind Informati-onen der Bundesbehörden und der Länder.
Birgit Böllinger - Pixabay

Eine Kurzzusammenfassung für Baden-Württemberg

Das BfV stellt in seinem Bericht heraus, dass es sich um eine „Ersterhebung“ handelt. Eine Schwierigkeit bei der Erstellung lag darin, dass „es bisher an einer zentralen Erfassung und Bewertung entsprechender Vorfälle [fehlt]“. Insofern wurden Daten aus Bundes- und Landesbehörden zusammengefasst, Basis sind dabei „dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen oder Verfahren wegen des Verdachts von rechtsextremistischen Einstellungen oder Verhaltensweisen“.

Im Ergebnis wurden aus den Ländern 319 Verdachtsfälle für den genannten Zeitraum gemeldet, im Bereich der Bundessicherheitsbehörden waren es 58 Verdachtsfälle und im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung waren es 1.064 Verdachtsfälle. Das BfV weist darauf hin, dass Mehrfachnennungen in den einzelnen Kategorien möglich sind.

Auf Baden-Württemberg entfallen von den 319 Länderfällen insgesamt 23. Die Fälle wurden durch das BfV in das Verhältnis zum Gesamtpersonal der Sicherheitsbehörden gesetzt. In Baden-Württemberg sind das „ca. 30.400 Personen“ (Basis sind Daten des Statistischen Bundesamts mit Stand 2019 und beinhaltet ist das Personal von Polizei und Landesamts für Verfassungsschutz).

In der Gesamtbetrachtung der Länderfälle wurden bei 303 der 319 Fälle Verfahren eingeleitet. Genauer: „Es wurden 237 disziplinarrechtliche Verfahren (78%), 48 Verfahren mit dem Ziel der Entlassungen/Nichternennungen in das Beamtenverhältnis auf Probe (16%) sowie 18 arbeitsrechtliche Maßnahmen (6%) eingeleitet. In dem genannten Zeitraum wurden zudem 261 strafrechtliche Verfahren eingeleitet.“

Am häufigsten stehen die Fälle in Zusammenhang mit „sonstigen rechtsextremistischen Handlungen“, darunter fallen der Austausch von Chatnachrichten mit verfassungsfeindlichen Symbolen oder Äußerungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt“

Weitere Erkenntnisse sind, dass in rund Zweidrittel aller Fälle Einzelpersonen in Erscheinung traten und in einem Drittel mehrere Personen. Etwa die Hälfte der Verfahren ist noch anhängig, 100 Verfahren wurden beendet und 67 eingestellt, in über 50 % der Einstellungen hat sich der Verdacht letztlich nicht bestätigt bzw. konnte nicht erwiesen werden. Bei den 100 beendeten und bestätigten Verfahren wurden in 17 Fällen arbeitsrechtliche Maßnahmen durchgeführt und in 35 Fällen Disziplinarverfahren. Bei 48 Verfahren kam es zur Entlassung oder zur Nichternennung. 

Die Einzelbetrachtung für Baden-Württemberg ist auf Seite 52 ff. niedergelegt. Die Mehrfachnennungen erschweren eine saubere verkürzte Darstellung. So sind von den 23 eigeleiteten Verfahren 13 Disziplinarverfahren, neun Verfahren „Entlassung/Nichternennung“, eine arbeitsrechtliche Maßnahme und sieben Strafverfahren. 15 Verfahren betrafen Einzelpersonen. Acht Verfahren sind abgeschlossen, einmal mit Verweis, einmal mit Kürzung der Dienstbezüge sieben Mal mit Entlassung/Nichternennung und einmal mündete das Verfahren in einem Aufhebungsvertrag (auch hier bereitet die Mehrfachnennung Schwierigkeiten). Zehn Verfahren werden als eingestellt ausgewiesen. 

Neben der kurz dargestellten Lagedarstellung enthält der Bericht Vorschläge für „Maßnahmen im Kontext ‚Extremistische Vorkommnisse in Sicherheitsbehörden‘“, diese gliedern sich in die Kategorien Prävention, Detektion und Reaktion.

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SWR-Interview mit LPPin Dr. Hinz am 18.08.2020

Unsere Landespolizeipräsidentin hat sich im SWR-Interview ausführlich zu den Themen „Polizeigewalt, Rassismusvorwürfe und die Stuttgarter Krawallnacht“ geäußert. Im Innenministerium lag zu diesem Zeitpunkt bereits eine Auswertung der Disziplinarstatistik der letzten fünf Jahre vor. Die Zeiträume zur Auswertung des BfV sind dabei nicht deckungsgleich, zudem fokussierte die Auswertung in BW auf den Vorwurf der rassistischen Diskriminierung seitens Anzeigenerstatter. LPPin Dr. Hinz sprach im SWR dabei von 160 Beschwerden und knapp 30 Anzeigen in den letzten fünf Jahren in der Polizei Baden-Württemberg mit dem genannten Hintergrund rassistischer Vorwürfe. Dabei wurden die allermeisten Verfahren nach Sachverhaltsprüfung eingestellt. Diese Daten erscheinen als Ergänzung zur Einordnung der Gesamtthematik sinnvoll.

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