BDK-Fachtagung
20.04.2004
Verschiedene Referenten näherten sich diesem Thema aus unterschiedlichen Richtungen. So zeigte ein Vertreter der Bundesgrenzschutzdirektion aus Koblenz die aktuellen Daten, Zahlen und Fakten, die Schleusungsrouten und mögliche Bekämpfungsstrategien auf, während der Ethnologe und Sinologe Harald Sorg von der Universität Tübingen das Thema aus intensiven eigenen Erfahrungen des Drachenreiches und der Menschen darstellte, um die anwesenden Polizeibeamten in die Lage zu versetzen, diese sehr spezielle Ethnie auch zu verstehen und sich entsprechend verhalten zu können.
Ca. 60 Millionen Chinesen halten sich derzeitig im Ausland auf, etwa 1.5 Mrd. leben noch in der Volksrepublik. Obwohl der "Chinesische Drache" sich momentan aufmacht die Weltwirtschaft aufzumischen, zieht es immer noch eine große Anzahl Chinesen in die Ferne. Hauptreiseziele sind immer noch die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und zunehmend die übrigen Staaten Europas. Während die EU z.B. die legale Einreise von chinesischen Studenten mit Projekten fördert und das Auswärtige Amt und die heimische Wirtschaft sich über eine stark ansteigende Zahl chinesischer Touristen nach Deutschland freuen, herrscht bei den Sicherheitsbehörden Alarmstimmung. Angesichts der unvorstellbaren Bevölkerungszahl Chinas scheinen die Sorgen nicht unbegründet, dass bei einer weiteren Öffnung der Volksrepublik die legalen Reisebewegungen und die damit verbundenen illegalen Einreisen nach Europa schwindelerregende Größenordnungen erreichen könnten.
Zwar werden, ob der immer raffinierteren Schleusungsmöglichkeiten an den Grenzen immer weniger Feststellungen getroffen, doch steigen dafür in Deutschland die Aufgriffszahlen im Inland. Die Kontrollmechanismen an den Grenzen zur Republik Polen und Tschechien greifen zusehends nicht mehr, da durch die EU- Osterweiterung die Grenzkontrollen und damit auch die Zollkontrollen weggefallen sind, den Grenzbehörden also die Möglichkeit fehlt, einreisende LKW und Kleintransporter routinemäßig zu überprüfen.
Dies wird zwar teilweise durch umfassende Ermittlungsmaßnahmen im Inland kompensiert, doch stehen hier Aufwand und Nutzen häufig nicht in einem befriedigenden Verhältnis. Wegen der extremen Abschottung der Schleuserorganisationen (Triaden?) und der fehlenden Kooperationsbereitschaft der geschleusten Personen gestalten sich Ermittlungsverfahren gegen die gut organisierten Schleusernetzwerke, die aus dem Ausland heraus operieren, extrem schwierig.
Unlängst kam das Europäische Risikoanalysezentrum (RAC) zu dem Ergebnis, dass der Schwachpunkt bei den Landwegschleusungen die ukrainisch- slowakische Grenze ist und hier im speziellen die vielen grünen Grenzübergänge. Das verwundert nicht, wenn man die finanzielle Potenz der Schleuserorganisationen berücksichtigt, die für die so genannten Garantieschleusungen 10.000 - 15.000 Euro, bzw. $ verlangen und die Verdienstmöglichkeiten der Grenz- und Kontrollbeamten in den genannten Ländern. Einmal im Kernbereich Europas gelingt es immer, die Schleusungswilligen in teils abenteuerlichen Verstecken und auf oftmals lebensbedrohlichen Wegen in die "Safehouses" genannten Verteilerzentren zu verbringen.
Von wo aus die letzte Schleusungstrecke in die Zielländer nach Geldfluss, welcher häufig in Ratenzahlungen erfolgt ,(Quit pro Quo) organisiert und durchgeführt wird. Diese "Safehouses" sind dem Bericht der RAC zufolge mittlerweile auf die Bundesrepublik und auf Tschechien konzentriert. In vielen deutschen Großstädten halten sich in oftmals extrem beengten und aus europäischer Sicht sicher menschenunwürdigen Bedingungen zahlreiche illegale Chinesen auf, die oft wochenlang auf ihren Weitertransport warten und dabei wegen des Entdeckungsrisikos diese Wohnungen natürlich nicht verlassen können.
Gelingt es den Ermittlungsbehörden dann einmal doch eine derartige Wohnung auszumachen, ist es wegen der beschriebenen Verhältnisse meistens nicht möglich, ein längeres Verfahren aufzubauen, um das dahintersteckende Netzwerk zu identifizieren und die Ermittlungen auch auf das Ausland auszudehnen. Es gilt der Grundsatz der Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung, was sicher richtig ist. Doch ist es meist nicht mehr möglich zielgerichtete Strukturermittlungen zu führen, wenn das Verfahren wegen einer notwendig gewordenen Razzia geöffnet werden musste.
Aus Sicht des BDK ist es daher notwendig, sich diesem Problem zu stellen und die internationale Zusammenarbeit - auch mit einem Land wie China - konsequent auf- bzw. auszubauen und dieses möglichst schnell.
Ein weiteres unverzichtbares Element wäre die Installation einer deutschen, noch besser europäischen Schwerpunktstaatsanwaltschaft Schleusungskriminalität, um jenseits von Zuständigkeitsgerangel zielgerichtete Strukturermittlungen führen zu können. Die häufig geübte Praxis der Verfahrensabtrennung und der damit verbundene muntere Versand von an sich zusammengehörigen Ermittlungskomplexen an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften muss unterbleiben. Derartig komplexe Strukturen sind nur mit komplex angelegten Ermittlungsverfahren unter einheitlich kompetenter Sachleitung aufzuhellen und zu zerschlagen.
Auch ist es unabdingbar, die unterschiedlichen nationalen Sicherheitsbehörden, die oftmals nebeneinanderher ermitteln, viel stärker als bisher zu vernetzen, bzw. zusammenzuführen.
Der BDK wird dieses dringende Thema weiter begleiten. Eine ausführliche Darstellung und eine vertiefende Analyse wird in der Dezemberausgabe der Verbandszeitschrift "der kriminalist" erfolgen.
Rückfragen: Thomas Mischke, Tel. (0177) 88 33 99 6
Links zur Nachricht
- http://www.stimme.de/nachrichten/reportage/art1918,430395.html?fCMS=4c158a3509e6e1c146ee58419cf7540a