BDK BW äußert sich im Verbands-Anhörungsverfahren zur "Polizeistruktur 2020"
16.10.2018
Neben den Verbänden konnten sich auch Bürgerinnen und Bürger über das Beteiligungsportal Baden-Württemberg direkt bis zum 8. Oktober 2018 beteiligen - über das Portal wird zudem der Gesetzestext bereitgestellt.
Links:
- Beteiligungsportal PolSG 2020
- direkt zum Gesetzesentwurf PolSG 2020
Der BDK Baden-Württemberg hat sich zu dem Gesetzesentwurf wie nachfolgend dargestellt geäußert:
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband Baden-Württemberg, dankt für die Einbindung im Rahmen des Anhörungsverfahrens und nimmt wie folgt Stellung:
Die Umsetzung erfolgt mit Wirkung zum 1. Januar 2020. Sie fällt damit in eine Phase, mit erheblichen personellen Engpässen, die maßgeblich auf die anhaltende Pensionierungswelle in der gesamten Polizei Baden-Württemberg zurückzuführen ist und bei der viel zu spät Ausgleichsmaßnahmen getroffen wurden. Aus Sicht des BDK hätte dieser Entwicklung bereits vor spätestens zehn Jahren politisch entgegengewirkt werden müssen – da die Pensionierung der starken Einstellungsjahrgänge prognostizierbar war. Der Umsetzungszeitpunkt ist deswegen ungünstig gewählt, da wir uns in einer personellen Talsohle befinden, die möglicherweise bei der Besetzung von Dienstposten gerade der Kriminalpolizei noch zu Komplikationen führen wird. Wir können beispielsweise nicht ausschließen, dass es zu Zwangsumsetzungen von der Schutz- zur Kriminalpolizei kommen könnte und halten dies sowohl für die Betroffenen selbst, als auch für die kriminalpolizeiliche Organisation für misslich. Wir erkennen allerdings an, dass mit einem erneuten Interessenbekundungsverfahren eine möglichst sozial verträgliche Umsetzung erreicht werden soll. Dies begrüßen wir als Berufsverband ausdrücklich.
Die Kriminalpolizei trifft die Pensionierungswelle besonders hart, denn die derzeit noch stattfindende Einheitslaufbahn qualifiziert aus unserer Sicht nicht ausreichend für die Arbeit in der Kriminalpolizei. Die zusätzliche Qualifizierung über die Einführungsfortbildung Kriminalpolizei nimmt zusätzliche Zeit in Anspruch, die Wartezeiten betragen trotz aller lobenswerten Anstrengungen der Hochschule für Polizei im Regelfall mehrere Jahre. Die auf den Weg gebrachten Schritte hin zu einer verwendungsorientierten Ausbildung an der Hochschule für Polizei begrüßen wir zudem ausdrücklich – wenngleich die Details noch zu klären sind.
Die Lage in neuen Kriminalitätsfeldern wie Cybercrime, neu erstarkten Kriminalitätsfeldern wie dem Staatsschutz oder auch klassischen Feldern, wie die Bekämpfung der Eigentums- oder Rauschgiftkriminalität erfordern in den ersten Jahren der Tätigkeit in der Kriminalpolizei eine weitere deutliche Spezialisierung. Gleichzeitig erwartet die Politik und zu allererst die Bevölkerung von Baden-Württemberg von der Kriminalpolizei – völlig zu Recht – eine solide Kriminalitätsbekämpfung ohne qualitative Einschnitte. Der Druck, der damit auf den im Dienst verbleibenden erfahrenen Kolleginnen und Kollegen und auf den neuen Kriminalbeamtinnen und- beamten lastet, ist enorm. Zu einem solchen Zeitpunkt zusätzlich reformbedingte Einschnitte, Neuabstimmungen, Neuorganisationen in der Zusammenarbeit oder auch das Zusammenwachsen von Organisationen zu gewährleisten werden damit zusätzlich zur Herausforderung.
Von Einstellungen im mittleren Dienst profitiert die Kriminalpolizei nicht oder höchstens mittelbar. Zunehmend ist darüber hinaus festzustellen, dass die Bereitschaft eines Laufbahnwechsels von der Schutz- zur Kriminalpolizei nachlässt. Wir führen das auf eine zunehmende Unattraktivität der Kriminalpolizei zurück. In den letzten Jahren wurde die Kriminalpolizei deutlich vernachlässigt. Der Fokus der politisch Verantwortlichen lag auf dem größeren Teil der Polizei Baden-Württemberg, der Schutzpolizei. Hierzu nur ein Beispiel: Führungskarrieren im gehobenen Dienst bestehen in der Kriminalpolizei nur noch mit wenigen Ausnahmen, gleichzeitig wurde das Thema Sachbearbeiterkarriere in der Kriminalpolizei als Ausgleich vernachlässigt. Der Fortbildungsaufwand ist deutlich angestiegen, Taktik und Recht werden anspruchsvoller und die Bekämpfung transnationaler Kriminalität erfordert neue Methoden; die Digitalisierung, das damit einhergehende Spurenaufkommen, bringt völlig neue Herausforderungen bei der Kriminalitätsbekämpfung mit sich, um nur einige weitere Herausforderungen zu nennen. Wenngleich diese sich wandelnde Arbeit für überzeugte Kriminalistinnen und Kriminalisten Freude bereiten kann, so sind Laufbahnwechsler durchaus abgeschreckt von diesen zusätzlichen Herausforderungen, die einen in der Kriminalpolizei erwarten. Eine verlässliche Karriere in der Schutzpolizei wird bevorzugt. Hinzu kommen Dinge wie unplanbare Dienste oder Mehrarbeit ohne die notwendigen Zeitfenster, diese wieder abzubauen.
Deswegen halten wir es nach wie vor für richtig und zwingend erforderlich, speziell für die Kriminalpolizei ein Maßnahmenbündel zu schnüren, das die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit wieder attraktiver macht. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Zukunftsoffensive Kriminalpolizei“ ist richtig, muss aber mit Leben gefüllt werden. Wir haben als BDK in unserem gleichlautenden Arbeitspapier einige Vorschläge unterbreitet[1].
Zu Artikel 2 PolSG2020 wollen wir anmerken, dass die Übergangsregelungen zu begrüßen sind, um im wichtigen Bereich der Personalvertretung möglichst wenig zusätzliche Problemstellungen zu verursachen.
Was den Sitz der Kriminalpolizeidirektionen angeht, sind wir nicht bei jeder Entscheidung vollständig davon überzeugt, dass die Wahl abschließend anhand einer polizeilichen Lagebewertung getroffen wurde. Dadurch kann mittelfristig das Problem entstehen, dass in Zukunft hier nochmals eine Änderung anstehen könnte – vielleicht ist eine Verlagerung der einen oder anderen Kriminalpolizeidirektion sogar zukünftig geboten. Auch dies ist ein Punkt, der potentielle Laufbahnwechsler von der Schutzpolizei abschrecken dürfte. Die in der Begründung auf Seite 3 getroffene Bewertung, dass sich Fahrtwege sowohl für administrative als auch operative Aufgaben der Polizei verkürzen, können wir nicht in allen neuen Präsidien für die Kriminalpolizei teilen. Auch der Hinweis auf gleicher Seite der Begründung, dass durch den Aufbau eines 13. regionalen Polizeipräsidiums einen Stellen- und Personalzuwachs erforderlich macht, muss in einer Talsohlenphase zusätzlich nachdenklich machen.
Während die Kriminalpolizei durch die Restrukturierung unserer Organisation bereits von der letzten Reform stark betroffen war, blieben Überlegungen zu eine Polizeirevier- und Polizeiposten-Strukturreform bislang außen vor. Auch dies blieb und bleibt bei den Kriminalistinnen und Kriminalisten nicht unbemerkt, da einige selbst unmittelbar betroffen waren und sind – beispielsweise durch die deutliche Erhöhung ihrer eigenen täglichen Pendelstrecken. Im dienstlichen Kontext sind die längeren Fahrtwege ebenso zu spüren, gerade bei großen Flächenpräsidien.
gez. Steffen Mayer
BDK-Landesvorsitzender Baden-Württemberg