BAG zur außerordentlichen Kündigung wegen sexueller Belästigung

20.05.2021

BAG, Urteil vom 20.05.2021, Az. 2 AZR 596/20. Schlageworte: Sexuelle Belästigung, AGG, Sexuelle Selbstbestimmung
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Leitsatz: Eine Entblößung der Genitalien eines anderen unter Missachtung seines Rechts auf Selbstbestimmung, wem gegenüber und in welcher Situation er sich unbekleidet zeigen möchte, stellt ein sexuell bestimmtes Verhalten iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. 

Das Urteil enthält weitere Hinweise zu Beurteilung eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund) im Zusammenhang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. 

Auszüge: 

RN24: „Auch eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG ist gem. § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 15, BAGE 159, 267; 20. November 2014 – 2 AZR 651/13 – Rn. 15, BAGE 150, 109). Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 17, aaO). Schutzgut der § 7 Abs. 3, § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 18, aaO). Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als das Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem oder mehreren anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert zu werden (Köhler/Koops BB 2015, 2807, 2808).“ (…) „Eine solche kann auch darin bestehen, den Betroffenen unter Verletzung seines Rechts auf Selbstbestimmung sexualbezogen zu beschämen. Geht es dagegen um ein Verhalten, das das Geschlechtliche im Menschen unmittelbar zum Gegenstand hat, genügt für das „Bewirken“ iSv. § 3 Abs. 4 AGG der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 20, aaO; 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 19). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit verlangt – anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG – nicht, dass der Betroffene seine ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 21, aaO).“ 

 

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