BAG zum Schadensersatzanspruch des zurückgewiesenen Bewerbers

28.01.2020

BAG, Urteil vom 28.01.2020, Az. 9 AZR 91/19. Schlagworte: Auswahlverfahren, Bewerbungsverfahren, Stellenausschreibung, Anforderungsprofil, Bestenauslese, Artikel 33 II GG, Schadenser-satz.
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Das Urteil enthält keine Leitsätze.

Zum Schadensersatzanspruch RN28…: „Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Der Schadensersatzanspruch folgt - unabhängig vom Amtshaftungsanspruch (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG) - aus § 280 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG als Schutzgesetz (BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 22, BAGE 161, 157). Er richtet sich gemäß § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB auf Geldersatz (vgl. BAG 28. Mai 2002 - 9 AZR 751/00 - zu A II 3 d der Gründe, BAGE 101, 153).“

…und RN36…: „Die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs allein ist nicht ausreichend, um eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers zu begründen. Das Verhalten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte. Deshalb hat der zurückgewiesene Bewerber nur in den Fällen Anspruch auf Ersatz seines Schadens, in denen ihm anstelle des Konkurrenten das Amt hätte übertragen werden müssen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Reduktion des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens auf null wiederum setzt voraus, dass der erfolglose Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber war (vgl. BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 22 und 25, BAGE 161, 157).“

…und Auszug RN37: „Für den kausalen Zusammenhang zwischen dem Auswahlfehler des Arbeitgebers und dem eingetretenen Schaden trägt der zurückgewiesene Bewerber die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 25, BAGE 161, 157). Dazu hat er Tatsachen vorzutragen, die es dem Gericht ermöglichen, den hypothetischen Kausalverlauf, der bei rechtmäßigem Vorgehen des Arbeitgebers an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (vgl. BVerwG 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - Rn. 45, BVerwGE 148, 217), zu ermitteln.“

Zur Bestenauslese RN27: „Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, BAGE 161, 157).“

Zur Ausschreibung und zum Anforderungsprofil RN 29, 30: „Grundlage für die Beurteilung der Bewerber um die ausgeschriebene Stelle ist das in der Ausschreibung mitgeteilte Anforderungsprofil, sofern es den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG hinreichend Rechnung trägt.

Im Rahmen seiner Organisationsgewalt steht es dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich frei, für zu besetzende Stellen ein Anforderungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren ist (vgl. BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 554/13 - Rn. 14). Der Arbeitgeber ist deshalb dem Grundsatz nach berechtigt, die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung in Bezug auf den Aufgabenbereich der Stelle im Vorfeld seiner Auswahlentscheidung in einem Anforderungsprofil zu konkretisieren, sofern er das Anforderungsprofil in Übereinstimmung mit den in Art. 33 Abs. 2 GG bestimmten Kriterien erstellt. Dabei fällt die Entscheidung darüber, welchen Zuschnitt eine Stelle haben soll, welche Zuständigkeiten ihr im Einzelnen zugewiesen sind und welche Fachkenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, in das Organisationsermessen des Arbeitgebers. Festlegungen des Anforderungsprofils entfalten - sofern es den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art. 33 Abs. 2 GG entspricht - Bindungswirkung für die Festlegung und Gewichtung der Leistungsmerkmale im Auswahlverfahren. Orientiert der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung nicht an den in einem solchen Anforderungsprofil genannten Voraussetzungen, sondern legt ihr abweichende Kriterien zugrunde, verletzt er den - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 30, BAGE 161, 157) - Bewerbungsverfahrensanspruch des Bewerbers. Ob der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung an dem Anforderungsprofil ausgerichtet hat, ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (vgl. BVerwG 19. Juli 2018 - 1 WB 3/18 - Rn. 31).

 

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