BAG zum Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter und gleichgestellter Arbeitnehmer

03.12.2019

BAG, Urteil vom 03.12.2019, Az. 9 AZR 78/19. Schlagworte: Schwerbehinderung, Stellenaus-schreibung, Auswahlverfahren, Bestenauslese, Art. 33 II GG, Organisationsgewalt.
Arek Socha - Pixabay

Leitsatz:

Ein öffentlicher Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschriebene Stelle außerhalb des nach Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführenden Bewerbungs- und Auswahlverfahrens vorab einem schwerbehinderten Arbeitnehmer zuzuweisen, um dessen Anspruch auf Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX zu gewährleisten.

Allgemeine Ausführungen zum Bereich der Organisationsgewalt und eines Auswahlverfahrens nach Art. 33 II GG:

RN26: „Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des öffentlichen Arbeitgebers folgt, dass es ihm im Grundsatz obliegt, darüber zu entscheiden, ob, welche und ggf. wie viele Statusämter er vorhält (vgl. BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 29; BAGE 161, 157; BVerwG 13. Dezember 2012 - 2 C 11.11 - Rn. 20, BVerwGE 145, 237). Ob, in welcher Gestalt und zu welchem Zeitpunkt eine Stelle besetzt werden soll, entscheidet der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationsgewalt nach seinen Bedürfnissen. Die Schaffung und Besetzung von Planstellen dient grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung der Rücksichtnahmepflicht des öffentlichen Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Subjektive Rechte etwaiger Bewerber auf den Erlass einer solchen Entscheidung bestehen grundsätzlich nicht, sondern setzen sie voraus (vgl. BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 28, aaO; BVerwG 17. November 2016 - 2 C 27.15 - Rn. 34, BVerwGE 156, 272). Der öffentliche Arbeitgeber hat aufgrund seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine Stelle zu besetzen, zu wählen. Er ist nicht verpflichtet, offene Stellen ausschließlich auf Grund von Ausschreibungen und Auswahlverfahren zu besetzen und hat das Recht, zwischen Umsetzungen, Versetzungen oder Beförderungen zu wählen. Nur soweit es um den beruflichen Aufstieg von Bewerbern mit der Rangordnung nach niedrigeren Besoldungsgruppen geht (sog. Beförderung), ist zwingend eine Auswahl nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG geboten. Ein Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren ist zudem durchzuführen, wenn der öffentliche Arbeitgeber die zu besetzende Stelle ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschrieben hat. Wie der öffentliche Arbeitgeber seine Organisationsfreiheit nutzt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. BAG 12. April 2016 - 9 AZR 673/14 - Rn. 25, BAGE 155, 29; 23. Januar 2007 - 9 AZR 492/06 - Rn. 40 mwN, BAGE 121, 67). Er darf diese insbesondere nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um den nach Maßgabe von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX bestehenden Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter und mit ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer zu umgehen oder eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zulasten einzelner Bewerber zu steuern (vgl. zum Bewerbungsverfahrensanspruch BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 30, BAGE 161, 157).

Auszug RN31: „Der nach Art. 33 Abs. 2 GG bei der Besetzung öffentlicher Ämter unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (st. Rspr. zB BAG 12. Dezember 2017 - 9 AZR 152/17 - Rn. 33, BAGE 161, 157; 28. September 2017 - 8 AZR 492/16 - Rn. 39; 19. Mai 2015 - 9 AZR 837/13 - Rn. 16 mwN).“

 

Externer Link: