Aufklärungswille oder -hatz?
11.09.2019
Das zurückliegende Jahr des Studienbetriebes an der Hochschule der sächsischen Polizei (FH) stand unter dem Verdacht von organisierten Prüfungsmanipulationen.
Dieser, auch in der Öffentlichkeit thematisierte, Vorwurf war sicher für die Hochschule und die sächsische Polizei nicht dienlich.
Dennoch war nach unserer Ansicht die Aufarbeitung aktionistisch angelegt, geprägt von Generalverdächtigungen und einseitiger Betrachtungsweisen. Von Anbeginn wurden sämtliche Maßnahmen der Verfolgung auf die Studierenden des 24. Jahrganges ausgelegt, bis zur offen vertretenen Auffassung, die sächsische Polizei hätte eine komplett für den Polizeidienst ungeeignete Personalauswahl für den 24. Jahrgang getroffen. Für den BDK eine Stigmatisierung eines gesamten Lehrganges. Eine hier bereits im Ansatz notwendig gewesene Betrachtung von diese Entwicklung erst ermöglichenden Ursachen und Bedingungen im System des Studienablaufes wurde durch die Polizeiführung nicht geführt bzw. nicht zugelassen, obwohl unterschwellig bekannt war, dass diese Gegebenheiten nicht erst mit dem 24. Jahrgang zu verzeichnen waren. Eine Prüfung, inwieweit die dienstliche Leitung der Hochschule vor Bekanntwerden der Manipulationen davon Kenntnis hatte, wurde nicht einmal erwogen.
Als Kuratoriumsmitglied der Hochschule kann ich auch nicht verstehen, dass mit Blick auf die Brisanz dieser Hintergründe die Einberufung des Kuratoriums der Hochschule bislang nicht für erforderlich erachtet wurde.
Einzig die, ausdrücklich nicht als Untersuchungskommission zu diesem Vorwurf, aber als „Fachkommission zur Überprüfung der Ausbildung an der Hochschule der sächsischen Polizei (FH)“ in Gesamtheit einberufenen Kommission befasst sich wenigstens mit der Erforschung von Fehlern im Systemablauf und geht in ihren Empfehlungen auf eine nachhaltige Abhilfe dieser Fehler ein.
Da hier ein Verdacht einer Straftat von vorneherein nicht ausgeschlossen werden konnte, erfolgte richtigerweise eine Vorlage an die zuständige Staatsanwaltschaft.
Der BDK wird nicht die rechtliche Bewertung der Tatvorwürfe hinterfragen. Das obliegt einzig der Staatsanwaltschaft. Anzumerken ist aber, dass im Umgang mit den laufenden Ermittlungen das Prinzip der Unschuldsvermutung auf der Strecke blieb.
Da bei staatsanwaltschaftlichen Prüfungen die Einleitung disziplinarrechtlicher Verfolgungen in der Regel ruhen, ist wohl davon auszugehen, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen keine Individualschuld Einzelner ergab.
Anders kann das durch die Leitung der Hochschule veranlasste Schreiben an alle Studentinnen und Studenten des 24. Lehrganges vom 4. September 2019 nicht verstanden werden. Bedenklich ist die kurze Terminstellung für eine Stellungnahme bis zum 13. September 2019. Sollen hier noch schnell vor der Ernennung vollendete Tatsache geschaffen werden?
Unter Androhung einer Nichternennung wurden Fragen gestellt, die ihrer Formulierung nach durchaus einer Beschuldigtenvernehmung zugeordnet werden können. Dieses Schreiben hebt auf nicht weiter vertiefte Hinweise ab, wodurch alle Studierenden des gesamten 24. Jahrgang als Beschuldigte in diesem Sachstand zu betrachten wären. Ausgegangen wird somit von einem Generalverdacht gegenüber allen Studierenden des 24. Jahrganges. Aus dem Schreiben geht weder eine Personifizierung dieser neuen „Hinweise zu diesen Manipulations- und Betrugsvorwürfen“ hervor, noch dass gegenüber dem jeweiligen Empfänger ein Disziplinarverfahren eröffnet worden ist.
Grundsätzlich besteht die Wahrheitspflicht im beamtenrechtlichen Dienstverhältnis. Die Beurteilung, inwiefern eine Aussage- und Wahrheitspflicht besteht, hängt von der Auslegung des Schreibens der Hochschule ab. Sofern die Studierenden im Rahmen ihrer Dienstpflicht eine dienstliche Stellungnahme abgeben, muss diese der Wahrheit entsprechend. Jedoch könnte das Schreiben auch eine zeugenschaftliche Nachfrage darstellen, die ebenfalls der Wahrheitspflicht unterliegt, insofern sich der Betroffene nicht selbst belastet bzw. eine Befragung im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung. Vor den o. g. Hintergründen, insbesondere aufgrund der Formulierung des Schreibens, kann nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizontes das Schreiben nicht mehr als bloße Aufforderung zur dienstlichen Äußerung gewertet werden.
Die Behörde hat im Disziplinarverfahren frühzeitig darüber zu informieren, dass ein solches Verfahren eingeleitet wurde und welches Dienstvergehen im Raum steht. Gleichzeitig sind beschuldigte Beamtinnen und Beamte darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.
Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare), gehört zu den anerkannten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Straf- und Disziplinarverfahrens. Dem Beschuldigten steht es danach nicht nur frei, sich zum Tatvorwurf zu äußern oder von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, sondern er darf auch nicht gezwungen werden, aktiv an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Mit der Abfassung dieses Schreibens wird unterschwellig Druck auf die Studierenden aufgebaut, in dem eine Wahrnehmung des Rechtes auf Verweigerung einer Auskunft in der Konsequenz als Nichteignung für den Polizeiberuf gewertet werden müsse. Eine sehr bedenkliche Rechtsauffassung.
Wir legen es natürlich in das Ermessen der Adressaten der Schreiben, das Anliegen des Schreibens unter Beachtung vorgenannter Ausführungen für sich auszulegen und auf die Fragen zu reagieren. Der Landesvorstand steht für Konsultationen gern zur Verfügung.
Einen Nachteil durch Nichtreaktion infolge Abwesenheit durch Urlaub sehen wir nicht, da bei einem genehmigten Urlaub durch die Hochschule keine Präsenzpflicht gegeben und somit ein solcher kurzfristiger Termin für die Rückantwort infolge einer Nichtzustellung sicher strittig ist.
Der BDK sieht das dringende Erfordernis, im Interesse eines tatsächlichen Neubeginnes an der Hochschule nunmehr auch einen Rechtsfrieden anzustreben. Alle Studierenden haben die kritisch gestellten Prüfungen, ohne Nachweis eines individuell belastbaren Manipulationsvorwurfes, nochmals unter neuen Bedingungen abgelegt, somit ihr tatsächliches Leistungsvermögen unter Beweis gestellt.
Alle Maßnahmen sollten ausschließlich nur auf Grund der Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens getroffen werden. Anderenfalls wird der in Umsetzung der Empfehlungen der Fachkommission in Angriff genommen Neubeginn an der Hochschule von Anbeginn ohne Not belastet.
Peter Guld
Landesvorsitzender
Bund Deutscher Kriminalbeamter Sachsen