Aufarbeitung der G 20 Krawalle – Polizisten kopieren Wochenende durch
05.09.2017
„Das Sicherheitsempfinden in der Stadt hat an der ein oder anderen Stelle gelitten“, sagt der Hamburger SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. So dürften es auch viele Bürger empfinden, das Messerattentat in Barmbek und die Bilder der G-20-Krawalle prägten die vergangenen Wochen.
Das Landeskriminalamt hat verschiedenen Sonderkommissionen eingerichtet, in der Soko „Schwarzer Block“ wird der Gipfel aufgearbeitet und dem parlamentarischen Sonderausschuss zugearbeitet. Die Parlamentarier erwarten eine lückenlose Zusammenstellung aller Dokumente, aus denen sich Aussagen etwa zur Sicherheitseinschätzung vor dem Gipfel oder zur Polizeitaktik herauslesen lassen. Bis 30. September sollen diese Dokumente vorliegen – der durch die G-20-Aufarbeitung bereits strapazierte Hamburger Polizeiapparat schiebt dafür bereits jetzt Überstunden.
Meterhohe Stapel an Unterlagen – für jedes Mitglied
Wie die WELT erfuhr, wurde dafür allein am vergangenen Wochenende knapp eine Hundertschaft aus Schutzpolizisten und Kriminalisten in den Kopierdienst versetzt. 80 Beamte sollen am Sonnabend und Sonntag Tausende Unterlagen ausgedruckt, kopiert und für den Ausschuss vorbereitet haben – meterhohe Stapel für jedes Ausschussmitglied. Der Aufruf dazu soll erst am Tag zuvor, also am Freitag gekommen sein.
Zudem hat die Innenbehörde einen mehr als umfangreichen Katalog mit knapp 290 Fragen und weiteren Unterfragen an die Polizei gegeben, die vor Beginn des Ausschusses beantwortet werden müssen. Innenstaatsrat Bernd Krösser will sich und Innensenator Andy Grote (SPD) damit wohl auf die Fragen der Abgeordneten vorbereiten. Verantwortlich für die Beantwortung ist nach WELT-Informationen Wasserschutzchef Karsten Witt.
Im Bereich Justiz kommt nun Unterstützung: Rot-Grün schafft bis zu 14 Projektstellen, drei Staatsanwälte, jeweils zwei Richter am Amtsgericht und am Landgericht und sieben Servicekräfte sollen die Aufarbeitung der G-20-Krawalle beschleunigen.
50 neue Stellen im LKA
Viele Ermittler arbeiten am Limit, neben den Großlagen müssen die Beamten sich auch intensiv mit Einbrüchen und Drogendelikten, Cybercrime und Organisierter Kriminalität beschäftigen, die Beamten, die in den Sokos eingesetzt werden, fehlen im Alltag. „Die Kriminalpolizei ist am Ende ihrer Flexibilität angekommen und vermag ihren gesetzlichen Auftrag in vielen Bereichen nicht mehr wahrzunehmen“, sagte Jan Reinecke, der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK).
Die Innenbehörde will dieses Problem nun angehen: Das Landeskriminalamt soll 50 weitere Stellen erhalten, darunter auch Psychologen und Islamwissenschaftler – Fachleute also, die es braucht, um islamistische Gefährder früher zu erkennen. Das LKA prüft aktuell 400 alte Fälle, bei denen es Hinweise auf eine Radikalisierung von Muslimen gegeben hat, noch einmal auf mögliche Gefährdungen. Die 50 Angestellten kosten den Senat rund 2,5 Millionen Euro.
Hoffen auf die Nachbarn der Roten Flora
Bürgermeister Olaf Scholz wünscht sich einen neuen Umgang mit der Flora, wie der aussehen soll, weiß aber noch keiner so recht. Die Politik fordert ein klares Bekenntnis gegen Gewalt. Aber was passiert, wenn die Vertreter der roten Flora dazu nicht bereit sind – oder gar keine gemeinsame Position entwickelt, bei so vielen Untergruppen?
Klar ist nur: Eine Räumung kann sich sich so gut wie niemand vorstellen, damit fehlt die Sanktionsmöglichkeit. Die beiden Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) waren in der Sommerpause mehrere Tage in der Schanze unterwegs und versuchten, mit der Nachbarn und Geschäftsleuten ins Gespräch zu kommen. Im Moment scheint die einzige Strategie so auszusehen: Die Stimmung rund um die Flora so zu drehen, dass die Nachbarschaft „ihre“ Flora stärker in die Pflicht nimmt und zum Einlenken bringt.
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