Aschermittwoch in Kiel…
24.04.2022
Am 08.05.2022 wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. In der darauffolgenden Woche kommt dem Land die Ehre zu, Ausrichter für das turnusmäßige Treffen der G7-Außenministerinnen und -minister zu sein. Weitere Anforderungen lenken nicht nur die Schleswig-Holsteinische Landespolizei von ihren inneren Fragestellungen ab, so dass kaum ein müßiger Gedanke in derartiger Hinsicht „verschwendet“ werden dürfte.
Es ist schon bemerkenswert, in welcher Großzügigkeit die Landesregierung einen Prüfauftrag an den Leiter des Landeskriminalamtes zur Bemessung der künftigen Berechnung der Bereitschaftszeiten der Angehörigen der Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes erteilt hat: Nach Einschaltung einer entsprechenden Einigungsstelle in einem Schlichtungsverfahren wurden der Landesregierung bezüglich der Bemessung und Anrechnung von Bereitschaftszeiten „die Karten gelegt“: Statt der vergüteten 15 % der Normalarbeitszeit wurden den Gruppenangehörigen von MEK und SEK von dem Schlichtungsspruch mehrheitlich 50 % der Arbeitszeit als berechtigt anerkannt. Auch wenn sich hieraus noch kein direkter rechtlicher Anspruch ergibt, hat die Landesregierung – ohne Einbeziehung der fachlich Verantwortlichen – eine vorläufige Anerkennung der maximalen Forderung der Angehörigen der Spezialeinheiten für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgesprochen. Während dieser Zeit hat der Leiter des Landeskriminalamtes die ehrenwerte Aufgabe, eine praktikable Lösung der Thematik für die Spezialeinheiten zu entwickeln. In Rede steht die bis 2016 rückwirkende Anerkennung von bislang lediglich mit 15 % anerkannte Bereitschaftszeit auf nunmehr 50 %, so dass sich erhebliche Anrechnungen von Mehrarbeitsstunden und Zuschlägen für Dienst zu ungünstigen Zeiten ergeben, die mehr als vierstellige Nachzahlungen ermöglichen können. Mit dem Prüfauftrag hat man sich zunächst über die Landtagswahl „gerettet“.
Parallel wird jedwede Notwendigkeit zur Erweiterung der Leistungsfähigkeit der Landespolizei seitens der Hausspitze damit kommentiert, dass auch einmal Vorschläge für eine Umsteuerung von personalen Ressourcen erfolgen sollte. Entsprechende Impulse, die in Richtung einer konstruktiven Diskussion über Möglichkeiten einer Verlagerung von Handlungsschwerpunkten abzielen, werden allerdings zumeist bereits auf der Ebene der Verwaltung deutlich unterhalb der Hausspitze abgeschmettert. Warum? Es könnte ja u.a. negative Auswirkungen auf die Bewertung der jeweiligen Dienstposten haben? Ein Schelm, wer Arges dabei denkt!
Neben der Thematisierung von der Kappung von Mehrarbeitsstunden, in deren Folge die einfache Sachbearbeiterin, der einfache Sachbearbeiter Sorge haben darf, ob wirklich alle angefallenen Dienststunden auch wirklich Bestandsschutz haben und (im Idealfall) durch Freizeit vergütet werden können, ergeben sich vielfältige Verunsicherungen für die Mitarbeiterschaft durch Anpassungen bei der Akzeptanz von konstitutiven Anforderungsprofilmerkmalen, der Zuverlässigkeit von Dienstpostenbewertungen und einer klaren politischen Schwerpunktsetzung in Bezug auf längst erkannte polizeiliche Handlungsnotwendigkeiten. Neben den Prioritäten aus der Innenministerkonferenz – mehr demokratische Resilienz, stärkere Wehrhaftigkeit gegenüber Cyberangriffen, entschiedene Bekämpfung häuslicher Gewalt und gravierender Formen von Darstellungen sexualisierten Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Internet – verbleibt kaum ein Spielraum für landes- oder regional spezifische Besonderheiten der Kriminalität.
Auf die möglichen Konsequenzen militärischer Übergriffe und ihrer vielfältigen Auswirkungen auf die Völkergemeinschaft soll hier gar nicht eingegangen werden.
Heruntergebrochen auf die besten Absichten eines einfachen Landesverbandes bei der Planung einer Traditionsveranstaltung wie der Nick-Knatterton-Ehrenmützen-Verleihung zu Aschermittwoch und der entsprechenden Zusammenkunft vielfältiger Fachlichkeiten aus dem Bereich von Polizei und Justiz sowie Politik verbleibt die Hoffnung, dass nach Überwindung der wesentlichen Pandemie bedingten Gefährdungen auch wieder ein persönlicher Austausch der maßgeblichen Fachlichkeiten zu späterem Zeitpunkt möglich sein wird. Nach Planung des Landesverbandes SH sollte Anfang Juni eine entsprechende Veranstaltung wieder anberaumt werden können.
In Nutzung der ursprünglich für Aschermittwoch vorgesehenen Kapazitäten konnte der Landesvorstand die Gelegenheit für eine außerordentliche Sitzung im Hotel Maritim mit Fördeblick nutzen und dabei unter anderem zahlreichen interessierten jüngeren Kolleginnen und Kollegen des BDK einen Austausch mit den Mitgliedern des Landesvorstands ermöglichen. Zusätzlich gab es als Besonderheit einen Vortrag der sehr engagierten Antirassismus- und Wertebeauftragten der Landespolizei, Lisa Monecke und Theresa Lemme, die eindrucksvoll über ihren Aufgabenbereich und die Zielvorstellungen berichteten. Es entwickelte sich eine angeregte Diskussion nach dem informativen Sachvortrag.
In den anschließenden Unterhaltungen ergaben sich zahlreiche Impulse aus den teilnehmenden Dienststellenbereichen. Sowohl für die Mitglieder als auch für die etablierten Vorstandsangehörigen entwickelten sich äußerst fruchtbare Diskussionen, die den diesjährigen Aschermittwoch durchaus nicht nur als Verlegenheitsveranstaltung erscheinen ließen.
Stephan Nietz