Artikel: Silvesterprozess - Ermittlerkritik an Richterschelte

04.11.2016

Handfester Streit in der Hamburger Justiz (von Denis Fengler, DIE WELT, 3. November 2016)
Artikel: Silvesterprozess - Ermittlerkritik an Richterschelte

Nach dem Freispruch dreier Männer vor dem Landgericht, die beschuldigt worden waren, an den sexuellen Missbräuchen in der Silvesternacht beteiligt gewesen zu sein, haben Polizei und Staatsanwaltschaft auf die Kritik der zuständigen Richterin reagiert. Diese hatte schwere Ermittlungsfehler moniert und sich schockiert gezeigt, wie leicht sich der Rechtsstaat ihrer Meinung nach unter dem Druck von Medien und Politik erschüttern lasse. Die Beweislage habe gar nicht ausgereicht, um die Männer zu verurteilen. Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich und Polizeipräsident Ralf Martin Meyer wollten das nicht auf sich sitzen lassen: „Der verbale Rundumschlag der Vorsitzenden Richterin ist beschämend“, erklärten sie gemeinsam. Über Monate sei mit unermüdlichem Einsatz versucht worden, die Übergriffe aufzuklären. Alle Haftbefehle seien vom Hanseatischen Oberlandesgericht bestätigt worden. „Die Vorsitzende Richterin selbst hatte mit ihrer Kammer das Hauptverfahren eröffnet und damit eine Verurteilung der drei Angeklagten für überwiegend wahrscheinlich gehalten.“ Wenn sich im Prozess aufgrund neuer Erkenntnisse kein Tatnachweis führen lasse, sagten Meyer und Fröhlich, „betrachten wir gerade dies als Beleg für einen funktionierenden Rechtsstaat.“ Dieser gerate nicht durch die Arbeit der Ermittlungsbehörden in Gefahr, „sondern durch diejenigen, die ihnen leichtfertig manipulierte Beweismittel, finstere Machenschaften und politische Instrumentalisierung andichten.“

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) erklärte dazu: „Tatsache ist doch, dass kriminalpolizeiliche Arbeit immer mehr durch den Druck der Öffentlichkeit beeinflusst wird“, sagte BDK-Landeschef Jan Reinecke. „Schnelle Ergebnisse sollen her, denn der öffentliche Pranger verlangt diese! Druck, Eile, Personal- und Ausstattungsmangel, wen wundern da noch Ermittlungspannen. Justitia darf sich auch mal gerne an die eigene Nase fassen, denn auch bei Gerichten spielen Öffentlichkeit und prozessökonomische Erwägungen eine große Rolle und entscheiden darüber, wie Recht gesprochen wird.“

Die drei Männer aus Marokko, Tunesien und dem Iran saßen mehr als ein halbes Jahr in U-Haft. Dafür steht ihnen nun eine Entschädigung von 25 Euro pro Tag zu, insgesamt 4600 Euro.

Weblink: https://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article159224995/Silvesterprozess-Ermittlerkritik-an-Richterschelte.html

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