Artikel: Gewaschene Preise

02.12.2018

Wer treibt die Preise für Immobilien und Mieten in die Höhe? Hinter geschätzt 10 Prozent der Umsätze steckt Geldwäsche. Die Intransparenz des Wohnungsmarkts macht die Verfolgung von organisierter Kriminalität nahezu unmöglich.
Artikel: Gewaschene Preise

Lassen Sie uns ein Spiel spielen.

Stellen Sie sich kurz vor, sie hätten richtig viel Geld. Jetzt denken Sie an ein Land mitten in Europa. Ein Land mit einer stabilen Regierung, einer großen Volkswirtschaft und attraktiven Anlagemöglichkeiten. Würden Sie Ihr Geld in diesem Land investieren? Vermutlich ja.

Stellen Sie sich zusätzlich noch vor, Ihr Vermögen würde aus illegalen Aktivitäten stammen. Vielleicht handeln Sie mit Drogen oder Waffen. Dann haben Sie nun das Problem, dass Sie Ihr vieles Bargeld wieder in den legalen Wirtschaftskreislauf einspeisen müssen, um die illegale Herkunft zu verschleiern. Sie können nicht einfach das Geld auf Ihr Konto einzahlen, denn Ihre Bank hat die Pflicht, auffällige Bareinzahlungen zu melden. Sie müssen Ihr Geld erst sauber waschen.

Denken Sie also nochmal an das Land mit der stabilen Regierung und der großen Volkswirtschaft. Eine, in der es also viele Gewerbe gibt, in die Sie investieren können: Autohäuser, Restaurants, Spielhallen, Immobilien. Leuchten Ihre kriminellen Augen schon? Gehen Sie noch einen Schritt weiter und stellen Sie sich zusätzlich eine geringe staatliche Überwachung und Defizite bei der Strafverfolgung von Geldwäsche vor. Sie haben das perfekte Land gefunden, um Ihr Geld zu waschen.

Dieses Land gibt es wirklich. Es ist Deutschland.

„Als reiche Industrienation wirkt Deutschland wie ein Magnet auf Geldwäsche”, sagt Kai Bussmann, Juraprofessor an der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg. Für das Finanzministerium hat er 2015 eine Studie (Link zum PDF) über Geldwäsche in Deutschland geschrieben. Nicht nur könne Geld hier profitabel angelegt werden: „Die Gefahr, erwischt zu werden, ist relativ gering.“ Bussmanns Studie aus dem Jahr 2015 geht von 100 Milliarden Euro im Jahr aus, die in Deutschland jährlich gewaschen werden.

Nun überlegen Sie sich noch, in welchen Wirtschaftszweigen sich besonders viel Geld bewegen lässt. Und welche besonders intransparent sind. Dann kommen Sie bestimmt auf Immobilien.

250 Milliarden Euro. Soviel, schätzt das Bundeskriminalamts (PDF der BKA-Studie), werden jährlich im deutschen Immobiliensektor umgesetzt. Und rund zehn Prozent davon, so die Schätzung, stammen aus Geldwäschegeschäften.

Geldwäscher schauen nicht auf den Preis

Das sind 25 Milliarden Euro. Ein Viertel dessen, was laut Bussmanns Studie an Geld gewaschen wird. Und 25 Milliarden Euro mehr, die die Preise von Immobilien und in der Folge auch Mieten in die Höhe treiben. Kriminelle, die ihr Geld waschen wollen, schauen nicht auf den Preis. Schließlich wollen sie viel Geld loswerden.

Eigenartig nur, dass in den Hamburger Immobilienmarkt kaum ein Krimineller zu investieren scheint – zumindest, wenn man Zahlen aus der Strafverfolgung betrachtet.

Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft Hamburg mit, dass es in der Hansestadt zwischen Januar und November 2018 nur ein einziges Justizverfahren zu Geldwäsche im Immobilienbereich gegeben habe. Zu den letzten fünf Jahren könne man „mangels entsprechender Statistik” nichts sagen.

Dass es praktisch keine Strafverfahren gibt, dürfte weniger an mangelnder Attraktivität des Hamburger Immobilienmarktes liegen, als an den Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung.

Werden Sie als Geldwäscher schlecht schlafen, weil am nächsten Morgen die Polizei an der Tür klingeln könnte? Gehen Sie zur Beantwortung der Frage einmal die Bedingungen durch, unter denen die arbeitet.

Sie wissen, dass die Ermittler nur loslegen dürfen, wenn jemand sich bei ihnen meldet. Ihr Makler hat deutlich gemacht, wie gern er Ihnen Ihr Traumhaus verschafft, der wird schon stillhalten. Mit einem komplizierten Firmengeflecht haben Sie dafür gesorgt, dass nicht Ihr Name im Grundbuch eingetragen wird, sondern der eines Ihrer vielen Subunternehmen, vielleicht die „Zeit für die Insel GmbH“. Um eine Ihrer Transaktionen zu stoppen, hat der Beamte gerade mal drei Tage nach Eingang einer Verdachtsmeldung Zeit. Und das Beste: Wenn er Ihnen auf die Spur kommen will, wird er Sie mangels besserer Suchsysteme wahrscheinlich googeln. Sie können sich wieder schlafen legen.     

Zurück zu den Ermittlern. Verdachtsmeldungen bekommen sie in der Regel vom Financial Intelligence Unit (FIU), der Geldwäsche-Einheit des Zolls. Die FIU wiederum erhält Hinweise von verschiedenen Akteuren – beziehungsweise erhält sie eben nicht.

Die Immobilienbranche verdient mit

Nach dem deutschen Geldwäschegesetz sind nicht nur Banken, sondern auch Rechtsanwälte, Notare und Immobilienmakler dazu verpflichtet, verdächtige Transaktionen zu melden. Von den über 59.000 Verdachtsmeldungen, die 2017 bei der FIU eingingen, stammten lediglich 23 von Rechtsanwälten, 21 von Immobilienmaklern und fünf von Notaren. Dabei sind diese Berufsgruppen es, die von zwielichtigen Transaktionen am ehesten mitbekommen müssten. Sie sprechen mit Kaufinteressenten, beurkunden Verträge.

In einer Studie über Geldwäsche im Immobiliensektor aus dem Jahr 2012 stellte das Bundeskriminalamt (BKA) fest, dass es generell „an der erforderlichen Sensibilität für diesen Themenbereich mangelt”. Bussmann formuliert es deutlicher: „Alle Beteiligten profitieren von dem Geschäft.“ Und das könnte eine Verdachtsmeldung zum Platzen bringen.

Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Hamburg, fordert deshalb: „Der Staat muss Kontrollmechanismen aufbauen, die es nicht den Nutznießern überlässt, sich selbst zu kontrollieren”.

Jens Bormann, Präsident der Bundesnotarkammer, weist auf die hohen rechtlichen Hürde bei den Meldepflichten hin. Notare, Anwälte und Wirtschaftsprüfer dürften nur dann etwas melden, „wenn eine positive Kenntnis eines Geldwäschefalls” vorliegt. Den Notaren sind daher oft die Hände gebunden. Fällt ihnen etwa ein Käufer aus einem Steuerparadies auf, dürfen sie ihn nur melden, wenn sie etwa wissen, dass ein Käufer als Krimineller schon bekannt ist. Ohne begründeten Verdacht verletzen sie ihre Verschwiegenheitspflicht.

Auch die intransparenten Eigentümerstrukturen bei Immobilien erschweren die Ermittlungen. In den Grundbüchern ist der Eigentümer einer Immobilie verzeichnet. Das kann aber zum Beispiel auch die „Zeit für die Insel GmbH“ sein. Wer aber steckt hinter dieser Firma, wer ist deren Eigentümer? Wer bekommt also am Ende die Miete?

Das könnten Ermittler theoretisch im Transparenzregister nachlesen, das Deutschland auf Druck der EU eingeführt hat. Es soll die Eigentümer aller Personen- und Kapitalgesellschaften beinhalten, doch die Umsetzung ist noch lückenhaft. Erstens fehlen manche Unternehmen ganz. Zweitens tauchen als wirtschaftlich Berechtigte dort ebenfalls Strohmänner und Briefkastenfirmen auf – die dann auch noch in ausländischen Steueroasen sitzen können. Dort verliert sich dann die Spur.  

Und jetzt kommt noch der Faktor Zeit hinzu: Alles muss extrem schnell gehen. Gerade mal drei Werktage lang kann die FIU eine Überweisung nach Eingang einer Verdachtsmeldung aufhalten und gegebenenfalls stoppen.

Gäbe es ein zentrales Immobilienregister, das die Informationen aus den einzelnen Grundbüchern zusammenführt und verknüpft wäre mit dem Transparenzregister sowie anderen Datenbanken, etwa internationalen Sanktionslisten – die Lage wäre gleich eine ganz andere. Mit wenigen Klicks würden Muster rund um einzelne Namen und Firmen erkennbar – auch um Strohmänner und Briefkastenfirmen herum.

Das Problem wäre damit nicht auf einen Schlag gelöst. Aber die Ermittler könnten ihre Arbeit viel stärker fokussieren.

Die Realität sieht Reinecke zufolge im Moment so aus: „Die Kolleginnen und Kollegen, die Geldwäsche bekämpfen, müssen oft die Menschen googeln, zu denen sie ermitteln”. Die Informationssysteme, die der Polizei zur Verfügung stehen, seien untauglich.

Dass die FIU vom BKA zum Zoll verlagert wurde, hat ihre Effektivität auch nicht gerade gesteigert. „Früher wurden manche Meldungen sogar direkt beim Hamburger Landeskriminalamt eingereicht. Man konnte also bei einer verdächtigen Transaktion schnell zugreifen”, sagt Reinecke. Doch seit der Umstrukturierung der FIU erreichten Meldungen die Hamburger Finanzermittler erst dann, wenn die verdächtige Transaktion schon lange gelaufen sei.  

Ein wenig Hoffnung macht der Goldmünzenfall in Berlin. Der Polizei ist es dort im Juli gelungen, das gesamte Vermögen eines kriminellen Clans aufgrund des Verdachts auf Geldwäsche einzuziehen. Spektakulär war das nicht nur, weil einige Mitglieder des Clans unter Verdacht stehen, die 100 Kilo schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum geraubt zu haben. Sondern weil die Behörden erstmals eine Gesetzesänderung nutzten. Die ermöglicht es ihnen, Vermögen einzuziehen, ohne die Geldwäsche in allen Punkten bewiesen zu haben. Insgesamt beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft 77 Häuser. Der Clan – und nicht der Staat  – muss nun beweisen, dass er die 77 Häuser mit seriös verdientem Geld gekauft hat. Ob die Gesetzesänderung vor Gericht Bestand haben wird, ist noch allerdings noch offen. 

Sollten Sie also Mitglied eines großen Clans sein, dessen Mitglieder schon seit vielen Jahren immer wieder mit kriminellen Machenschaften auffallen, sich in Thriller-Manier Kunstschätze unter den Nagel reißen und ihre Spuren nicht einmal so richtig gut erwischen – dann, aber nur dann, schlafen Sie vielleicht doch nicht mehr ganz so ruhig.

Link zum Onlineartikel von CORRECTIV:

https://correctiv.org/top-stories/2018/11/23/wem-gehoert-hamburg/

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