Artikel: Endlich! Jagd auf die Gaffer beginnt

16.07.2016

Es ist leider immer das Gleiche: Je schlimmer ein Unfall, umso mehr Schaulustige. Rettungskräfte verlieren wichtige Zeit, weil Zuschauer im Weg stehen. Oder es kommt zu Verkehrsbehinderungen, weil Gaffer ein Unglück unbedingt filmen wollen, wie am Mittwoch bei einem Unfall auf der A1. Damit könnte bald Schluss sein: Ein neuer Gesetzentwurf sieht Gefängnisstrafen für Gaffer vor.(von Hasan Gökkaya und Rüdiger Gaertner, Hamburger Morgenpost, 15. Juli 2016)
Artikel: Endlich! Jagd auf die Gaffer beginnt

Vermutlich eine Unachtsamkeit hat einen 73-Jährigen in Lebensgefahr gebracht. Der Trucker fuhr auf der A1 in Regesbostel (Landkreis Harburg) auf einen Lkw auf – der Aufprall war so stark, dass die Fahrerkabine zusammengepresst wurde. Die Feuerwehr brauchte zwei Stunden, um den Schwerverletzten mit einer hydraulischen Schere zu befreien. Während der Rettungsarbeiten kam es zu Verkehrsbehinderungen – weil Gaffer abbremsten, um den Schwerverletzten zu filmen. Die Autobahnpolizei ergriff daraufhin ungewöhnliche Maßnahmen:

Sie stellte eine Kamera auf und filmte auf der Gegenfahrbahn die vorbeifahrenden Schaulustigen. Die Auswertung liegt noch nicht vor, doch wer am Steuer saß und gleichzeitig mit Handyaufnahmen beschäftigt war, kann mit einer Anzeige rechnen. Allerdings nicht wegen Gaffens, sondern Verkehrsgefährdung.

Hier wird das Dilemma deutlich: Rettungskräfte appellieren seit Jahren, weil Schaulustige immer dreister werden. Sie filmen blutende Opfer und Tote, um die Aufnahmen ihren Freunden zu schicken oder auf sozialen Netzwerken zu teilen. „Manchmal haben die Sanitäter nicht genug Platz, um das Rettungsgerät abzulegen“, sagt ein Feuerwehrmann. Das Problem: Wer nicht randaliert, hat in der Regel nicht mehr als einen Platzverweis zu befürchten. Denn mehr gibt die Gesetzeslage nicht her – bisher!

Doch jetzt tut sich was – und zwar in Berlin: Der Bundesrat hat nämlich auf Initiative von Niedersachsen einem Gesetzentwurf zugestimmt. Demnach gilt: Wer Helfer am Unfallort behindert, kann mit einer Geld- oder Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Auch der Versuch Opfer und Unfallstellen zu fotografieren soll bereits strafbar sein. Bisher kann ein Strafverfahren gegen Gaffer nur eingeleitet werden, wenn sie Retter behindern und sich gewalttätig weigern Platz zu machen. Die Bundesregierung und der Bundestag müssen dem Entwurf noch zustimmen.

„Durch Gaffen werden Spuren verwischt, Persönlichkeitsrechte verletzt und sogar Menschenleben gefährdet“, deshalb begrüßt der Bund Deutscher Kriminalbeamter den Gesetzentwurf ausdrücklich“, sagt Landesvorsitzender Jan Reinecke (41). „Bisher muss die Polizei mit Krücken arbeiten.“

WebLink: http://www.mopo.de/hamburg/polizei/endlich--jagd-auf-die-gaffer-beginnt-24397750

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