Amtsangemessene Alimentierung - Was zählt das Grundgesetz?

07.04.2022

Michael Schwarzenberger - Pixabay

Vielleicht für alle noch einmal ein klein wenig die Historie, um auch das Verhalten unseres „Arbeitgebers“ ein wenig zu beleuchten.

In Jahr 2011 wurde auf Beschluss des Senats und der Bürgerschaft für alle Beamtinnen und Beamten der Freien und Hansestadt Hamburg das sog. Weihnachtsgeld, also die jährliche Sonderzahlung, abgeschafft. Zuvor, beginnend im Jahr 1996, wurde sie schon kontinuierlich von ehemals einem 100%igem Monatsgehalt bis auf 66% (bis A 12) bzw. 60% (ab A 13) gekürzt. Diese Abschaffung war bis dahin die letzte in einer langen Reihe diverser faktischer Gehaltsreduzierungen. Und damit haben Senat und Bürgerschaft dann wohl das sog. Fass zum Überlaufen gebracht. Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes, allen voran der BDK, haben diese Situation nicht mehr hingenommen und dem Senat die Widersprüche und Klagen der tausenden betroffenen Kolleginnen und Kollegen in Aussicht gestellt.

Damals noch vernunftgeleitet hat das Personalamt entschieden, Musterklagen durchzuführen. Dafür wurden von allen Gewerkschaften geeignete „Kandidaten“ herausgesucht, um auch die Bandbreite der Besoldungsordnung sowie Aktive wie auch Pensionäre dabei zu haben.

2015 hat das Bundesverfassungsgericht dann eine Klage aus einem anderen Bundesland zum Anlass genommen, genau zu beschreiben, wann die Alimentation noch dem Grundgesetz entspricht und unter welchen Gegebenheiten eben nicht.

Bereits zu diesem Zeitpunkt haben Senat und Personalamt sicherlich schon erkannt, dass die Besoldungsordnung A in Hamburg nicht mehr verfassungsgemäß ist. Zeit genug, entsprechende (also unter Einhaltung des Grundgesetzes) Anpassungen vorzunehmen. Aber: nichts passierte!  Erst das Hamburger Verwaltungsgericht musste 2020 unter Anwendung des Urteils des BVerfG feststellen, dass die Besoldung bis mindestens einschließlich 2019 (und 2019 nur, weil für die Berechnung ganze Jahre ausgewertet werden müssen) nicht verfassungsgemäß und die vom BVerfG gezogene Grenzlinie nicht nur geringfügig überschritten ist. Und da in den Jahren 2020 bis heute keine diesen Umstand korrigierenden Veränderungen vorgenommen wurden, hält dieser verfassungswidrige Zustand aktuell weiter an.

Was hätten die Beamtinnen und Beamten der FHH also in erster Linie von ihrem Bürgermeister und Finanzsenator, aber letztlich auch von der Bürgerschaft erwarten dürfen? Anwendung des Grundgesetzes und Herstellung einer verfassungsgemäßen Besoldung. Dass das Geld kostet, war klar, aber die Finanzierungschwierigkeiten stehen halt nicht über dem Grundgesetz.

Und wie haben Senat und Personalamt reagiert? Dass die Beschlüsse des VG Hamburg zur Prüfung dem BVerfG vorgelegt wurden, ist noch zu verstehen, entspricht es doch der Rechtsstaatlichkeit. Aber für die Zeit ab 2020 kann man das Verhalten nur noch als ignorant bezeichnen. Der Senat verweigert den Beamtinnen und Beamten der FHH wissentlich das ihnen zustehende Gehalt, was letztlich zu der aktuellen Situation geführt hat. Und wie man so hört, soll der Bürgermeister entgegen der Beratung des Personalamtes die erneute Durchführung von Musterverfahren untersagt haben. Eine Flut von Anträgen, Widersprüchen und Klagen sind die Folge, eine unsinnige Mehrbelastung für Personalamt und Verwaltungsgericht, Institutionen, die sich heute schon nicht über einen Mangel an Arbeit beschweren. Warum der Senat als unser Arbeitgeber sich aufspielt, dass man sich als Beschäftigter in die Zeiten der industriellen Revolution zurückerinnert fühlt, bleibt wohl dessen Geheimnis.

Von allen Beamtinnen und Beamten dieser Stadt wird - zu Recht - Grundrechtstreue erwartet. Das erwarten wir aber ebenso auch vom Senat.

Es geht hier nicht um „Wohltaten“ oder unverdiente Zuwendungen. Es geht schlicht um die im Grundgesetz beschriebene Alimentation der Staatsbediensteten und damit um ein verfassungsgemäßes Verhalten.

Dies und nichts Anderes dürfen die Beamtinnen und Beamten der FHH von ihrem Arbeitgeber erwarten. So funktioniert nun einmal die Rechtsstaatlichkeit.

Es gibt nicht „ein bisschen oder ein bisschen weniger Grundgesetz“. Das Grundgesetz gibt es nur als Ganzes. Und das hier zuständige Gericht, das Bundesverfassungsgericht, hat schon vor vielen Jahren Klarheit geschaffen, eine Klarheit, die mit einfacher Mathematik zu berechnen ist.

Also, Herr Bürgermeister Tschentscher und Herr Finanzsenator Dressel: Hören Sie mit diesem Possenspiel auf dem Rücken Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf. Legen Sie JETZT der Hamburger Bürgerschaft einen Gesetzentwurf für die Besoldung und Versorgung vor, der dem Grundgesetz, entspricht. Denn Sie dürfen sich sicher sein. Der BDK wird hier nicht aufgeben und gemeinsam mit seinen Mitgliedern deren Recht erstreiten.

Bürgermeister und Finanzsenator müssen sich allerdings am Ende dafür verantworten, dass die Freie und Hansestadt Hamburg als Verlierer für die horrenden Kosten für die Anwälte, Gerichte und letztlich auch für das Personal im Personalamt aufkommen muss und der immer wieder als nicht auskömmlich hingestellte Haushalt dafür zu bluten hat.

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Gerade ist der Entwurf für die Anpassung des Besoldungs- und Versorgungsgesetzes bekannt geworden. Neben der Übernahme des letzten Tarifergebnisses (+2,8% zum 01.12.22) ist auch eine zumindest für die Jahre 2021 bis 2025 temporäre „Ausgleichszahlung“ hin zu einer verfassungsgemäßen Alimentierung enthalten.

Erster Draufblick: Keine Auswirkungen auf die anhängigen Klagen, insgesamt ungenügend, Ausklammerung der Pensionäre inakzeptabel, rechtlich bedenklich.

In Kürze dazu mehr

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