Abgeltung von Mehrarbeit - Status Quo

03.06.2015

BDK NRW warnt und fordert großzügige Regelungen - In der vergangenen Woche ist den Behörden ein erster Erlass zur Mehrarbeitsvergütung zugegangen.
Abgeltung von Mehrarbeit - Status Quo
Foto: Bernd Kasper / pixelio.de

Es geht im Kern um eine simple Regelung, für die ein einziger Satz ausgereicht hätte. Die Art der Erlassausgestaltung hinterlässt jedoch mehr Fragen und Unsicherheiten, als erforderlich gewesen wäre.

Wir bringen Licht ins Dunkel:

Der Erlass regelt das Verfahren im Umgang mit Mehrdienststunden, die vor 2015 entstanden sind und besagt im Wesentlichen, dass für diese bis zum 31.12.2020 nunmehr auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits im Jahr 2012 entschieden, dass die Vergütung von Mehrdienststunden der dreijährigen Verjährungsfrist gem. § 195 BGB unterliegt. Das Verwaltungsgericht Minden hatte sodann am 20.03.2014 diese Rechtsprechung insofern bestätigt.

In der Vergangenheit wurde seitens einiger Behörden die Einrede der Verjährung gem. § 195 BGB bei finanziellem Ausgleich der Mehrarbeit geltend gemacht, nicht jedoch bei einem Ausgleich durch Dienstbefreiung. Dies geschah in einzelnen Behörden allerdings erst nach Bekanntwerden des o. g. Urteils des VG Minden.

Das Urteil enthält allerdings keinen Zwang, so zu verfahren. In dem dort verhandelten Fall hatte der Dienstherr dem Beamten die Vergütung seiner Mehrdienststunden durch Freizeit mit dem Hinweis auf eine verkürzte Verjährungsfrist verweigert. Das VG Minden stellte jedoch klar, dass die Mehrdienststunden zwar der Verjährung unterliegen, dass allerdings auch die dreijährige Verjährungsfrist des BGB greift.

Weder das BGB noch die o. g. Rechtsprechung zwingen die Behörden, bei der Vergütung von Mehrarbeit die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Im Gegenteil: Der Anspruch der Kollegen auf Ausgleich der geleisteten Mehrarbeit bleibt unverändert bestehen. Dem Dienstherrn steht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht zu, das er grundsätzlich ausüben kann. Im Fall des Mehrarbeitsausgleichs stand dem Dienstherrn die Ausübung dieses Rechts u. E. ohnehin nicht zu, weil dies gegen Treu und Glauben verstoßen hätte.

Vor diesem Hintergrund erscheint der vorliegende Erlass nahezu entbehrlich. Er wurde jedoch aus zwei Gründen notwendig: Zum einen ignorierten einzelne Behörden den Rechtsgrundsatz „Treu und Glauben“ und begannen damit, den Kollegen die Auszahlung und / oder den Freizeitausgleich ihrer Mehrarbeit zu verwehren. Die Behörden musste daher vom Innenminister angewiesen werden, diese Praxis zu beenden. Zum anderen verkündete Innenminister Jäger anlässlich mehrerer Veranstaltungen, in Zusammenhang mit den Anti-Terror-Maßnahmen seien die Herausforderungen nur zu bewältigen, wenn gerade in den Behörden, die Personal abgeben, zusätzliche Mehrarbeit geleistet werde. Hierzu würden alle alten Mehrarbeitsstunden (bis 31.12.2014 geleistet) anerkannt und dürften innerhalb der kommenden fünf Jahre abgegolten werden. Gleichzeitig müsse die ab 01.01.2015 anfallende Mehrarbeit innerhalb eines dreijährigen Zeitfensters ausgeglichen oder ausbezahlt werden. Dies möge den Kolleginnen und Kollegen als „Zeichen guten Willens“ übermittelt werden.

Während nun der erste Teil inzwischen mit o. g. Erlass drei Monate nach der ersten Verlautbarung des Ministers umgesetzt worden ist, lässt der Erlass, der die Abgeltung der ab Jahresbeginn und in Zukunft geleisteten Mehrarbeit regeln soll, noch immer auf sich warten. Die Ursache hierfür liegt auf der Hand: Dem Ministerium muss die berühmte Quadratur des Kreises gelingen, will es die Worte des Ministers in die Tat umsetzen. Nach fester Überzeugung des BDK NRW ist dieses Vorhaben daher schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Das Bestreben, die millionenschweren Überstundenberge abzubauen und künftig keine neuen Berge entstehen zu lassen, ist unmöglich mit den Ermutigungen in Einklang zu bringen, in schweren Zeiten noch eine Schippe drauf zu legen.

Dies ist den Kolleginnen und Kollegen wohl auch nicht zu vermitteln. Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Anti-Terror-Paketes, das die sofortige, mindestens zeitnahe Verstärkung von Staatsschutzdienststellen, Fahndungsgruppen Staatsschutz, MEKs und Objektschutz vorsieht, wird – das wird auch im Innenministerium so gesehen – nur durch erhebliche zusätzliche Mehrarbeit aufzufangen sein. Schließlich werden die Maßnahmen sofort umgesetzt, die zu diesem Zwecke noch einzustellenden Kräfte den Behörden jedoch erst nach Abschluss der Ausbildung frühestens in drei, vier und fünf Jahren als Nachersatz zur Verfügung stehen.

Die vorgesehenen Regelungen greifen nach Ansicht des BDK viel zu kurz.

Die im Rahmen der Terrorbekämpfung zusätzlich zu besetzenden Stellen werden naturgemäß bereits jetzt „aus dem eigenen Fleisch“ besetzt. Es wird daher nicht nur zu Mehrarbeit in der unmittelbaren Terrorbekämpfung, sondern zwangsläufig auch zu erheblicher Mehrbelastung und damit zu Mehrarbeit bei denjenigen führen, die in ihren Dienststellen verbleiben und die Alltagsaufgaben ohne maßgeblichen Qualitätsverlust wahrzunehmen haben. Selbst der Minister hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die zu erwartenden Belastungsspitzen bis zur Wirksamkeit der Neueinstellungen durch Mehrarbeit aufzufangen sein werden. Vor diesem Hintergrund erwartet der BDK mit dem avisierten weiteren Erlass eine „großzügige Regelung“ einschließlich erleichterter Möglichkeiten der finanziellen Vergütung beim Ausgleich von Mehrarbeit, die in dem vorliegenden Erlass gerade nicht zum Ausdruck kommt.

Vor einer überstrengen Auslegung des § 61 Abs. 2 LBG, nach dem eine finanzielle Vergütung nur in Betracht kommt, wenn ein Freizeitausgleich aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, ist zu warnen. Der o. g. Erlass enthält insoweit lediglich einen Hinweis auf die gesetzliche Regelung.

Eine in Aussicht gestellte Differenzierung zwischen Mehrarbeit im Zusammenhang mit der Terrorbekämpfung und im Rahmen der Alltagsarbeit ist weder machbar noch Ziel führend. Auch die „Alltagsarbeit“ wird – gerade in den Kommissariaten und im Wachdienst – wesentlich durch den weiter verschärften Personalmangel, der durch Personalverschiebungen im Zusammenhang mit der Terrorbekämpfung erzeugt wird, beeinflusst und verursacht.

Auch für den BDK führt kein Weg an einer rechtssicheren Einführung von umfassenden Lebensarbeitszeitkonten vorbei. Sie sind nach unserer Vorstellung im Kern nichts anderes als ein grundsätzlicher Verzicht des Landes auf die Einrede der Verjährung bei angefallener Mehrarbeit und erlauben einen wirklich flexiblen Umgang mit den bisherigen und in der Zukunft noch zu leistenden Mehrarbeitsstunden.

DAS wären starke Signale des guten Willens an die Kolleginnen und Kollegen, deren weit über das notwendige Maß hinausgehende Motivation und Einsatzbereitschaft verlangt und erwartet wird.